Verhindertes Swift-Attentat: Jetzt fiel das Urteil gegen Luca K. (18)

"Ich habe ihn gekannt, weil wir im selben Ort gewohnt haben. Aber er war kein Super-Freund, oder so", sagt Luca K. heute über Beran A. Bis vor einem Jahr galt der 18-Jährige allerdings als enger Vertrauter jenes 20-Jährigen aus dem Bezirk Neunkirchen, der einen Anschlag auf das am 9. August 2024 vorgesehene Taylor Swift-Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion geplant haben dürfte.
Auf Distanz zu Beran A.
Luca K. wurde zwei Tage vor dem Konzert festgenommen, saß seither in U-Haft. Am Freitag wird er am Landesgericht Wiener Neustadt zu zwei Jahren Haft verurteilt - nicht rechtskräftig. Terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation warf ihm die Staatsanwaltschaft Wien vor.
Nicht zu finden ist in der 22-seitigen Anklageschrift allerdings die Luca K. zunächst ebenfalls unterstellte Beteiligung am Anschlag auf das Swift-Konzert. Und auch im Übrigen versucht der 18-Jährige vor Gericht, sich ganz klar von Beran A. zu distanzieren: "Er hat immer dumme Sachen gemacht."
Der Staatsanwalt wirft ihm konkret vor, etwa über verschiedene Messenger-Dienste unter anderem Bilder von Kämpfern, der IS-Flagge sowie ein Video verschickt zu haben, in dem Beran A. während einer Autofahrt ein längeres Messer mit IS-Symbol auf der Klinge in der Hand hält, während im Hintergrund ein Nasheed (islam. Sprechgesang, Anm.) zu hören ist.
Den Attentäter, der am 4. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete und zahlreiche weitere verletzte, dürfte K. angehimmelt haben, betont der Staatsanwalt. Das belege unter anderem ein Video, in dem er den Treueschwur auf den Kalifen des IS ablegt und dabei dieselbe Pose einnahm wie sein Vorbild Beran A. bei seinem Bekenntnis-Posting kurz vor dem Anschlag. Auch gab er in Sprachnachrichten an, dass der Attentäter kein Kafir (Ungläubiger, Anm.) sei, weil er Polizisten töte und dass das Töten von Polizisten erlaubt sei.
"Radikal-islamische Ansichten"
Luca K. maßregelte Beran A. auch wegen „westlicher Werte“. Anfang 2022 war der damals 16-Jährige zum Islam konvertiert. Bereits nach kurzer Zeit habe er begonnen, sich mit radikal-islamistischen Ansichten auseinanderzusetzen, besuchte Moscheen, in denen genau diese Ansichten verbreitet wurden, heißt es in der Anklage. Dabei dürfte er auch sehr streng gewesen sein, im April vergangenen Jahres teilte er Beran A. mit, dass dieser nicht in eine Moschee des türkischen Moscheeverbandes ATIB gehen solle, da diese „westliche Werte wie Wahlen und Polizei“ erlauben würde.
Beran A. soll sich auch öfter in religiösen Fragen an den um zwei Jahre Jüngeren gewandt haben. Nachdem er konvertiert war, habe Luca K. vermehrt Zeit mit Personen verbracht, die dieselben Ansichten wie er vertreten, sagt der Staatsanwalt. So listet die Anklage über zehn Personen auf, gegen die entweder ein Verfahren läuft, oder die bereits wegen Terrordelikten verurteilt sind. Darunter auch jener 18-Jährige, der im September 2023 einen Anschlag am Hauptbahnhof geplant hatte, dann in letzter Sekunde aber davon absah.
Wollte sich "Zweitfrau" nehmen
Luca K. befahl einer Freundin, sich an die Kleidervorschriften des IS zu halten und „ihm zu gehorchen“, im Verlauf der Konversation habe er angegeben, „sich eine Zweitfrau nehmen zu wollen“, so die Staatsanwaltschaft. Weiters existiert ein Foto von ihm mit ausgestrecktem Finger. Diese sogenannte Tauhid-Geste wird seit Jahren von Islamisten als Erkennungszeichen benutzt.
Inzwischen sehe er allerdings ein, „dass es ein Wahnsinn war, den Attentäter zu loben“, sagt der 18-jährige. Vom IS habe er sich abgewandt. Und er sei "durch das Hafterlebnis entradikalisiert“, behauptet sein Rechtsanwalt Michael Dohr.
„Es gibt überhaupt keinen Hinweis, dass er an Anschlagsplänen beteiligt gewesen wäre“, so Dohr. Sein Mandant habe zwar beim Bühnenaufbau im Vorfeld der Swift-Termine mitgearbeitet, „aber nicht aus terroristischen Motiven, sondern weil das einfach sein Job war“.
Über TikTok zum Islam gefunden
Aufgewachsen war Luca K. in keinem ausgeprägt religiösen Umfeld. Seine Mutter ist Katholikin, der 18-Jährige hatte kein religiöses Bekenntnis. Mit dem Islam erstmals in Berührung gekommen sei er über die Plattform TikTok. Radikalisiert habe sich Luca K. dann über die Tewhid-Moschee in Wien-Meidling, die er ab 2023 regelmäßig aufgesucht hätte. "Ich wollte dazugehören und cool dastehen, deshalb habe ich gesagt, dass ich den IS gut finde. Das war alles ein Fehler", meint er am Freitag vor Gericht.
Den Treueeid auf den IS habe er nicht abgelegt, beteuert er. "Wir haben ein Video gemacht, auf dem wir Soft Guns in der Hand hatten, weil das ein Freund so wollte", sagt Luca K. Dieser Bekannte habe das Video dann nachträglich vertont. "Ich habe Halt gesucht und nicht gleich erkannt, an welche Leute ich geraten bin. Wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich mir: Wie konnte ich so dumm sein?"
Bestätigt wird der Sinneswandel des 18-Jährigen auch von einem Vertreter des Vereins Derad, der sich um Deradikalisierung extremistischer Häftlinge bemüht. Luca K. zeige "eine positive Entwicklung" und verherrliche weder die Werte des IS noch verteidige oder verharmlose er sie.
Wenig Erkenntnis bringt dann - zum großen Ärgernis des Richters - die Befragung einer Vertreterin der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst. Die Baya (Treueschwur, Anm.) sei nichts, was man einfach so mache, sagt sie erst auf mehrfache Nachfrage. Auch ob der Wien-Attentäter in der Szene eine Größe sei, könne sie nicht beantworten. Er hätte eigentlich eine „informierte“ Vertreterin laden wollen, macht der Vorsitzende seinem Unmut Luft. Auch Dohr fragt die Zeugin: „Was arbeiten Sie dann, wenn Sie nichts wissen?"
Jener 17-Jährige, der ebenfalls auf dem Video zu sehen ist - und dafür auch bereits verurteilt wurde - meint, Luca K. habe „nicht meine Ansichten vertreten, er hatte ganz normale Ansichten“.
Der Schöffensenat verurteilt den 18-Jährigen zu einer zweijährigen unbedingten Haftstrafe. Die bereits in U-Haft verbrachte Zeit - rund ein Jahr - wird ihm angerechnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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