Causa Kinderwunschklinik: Propofol in Jausenbox als tödliche Keimschleuder

Laut Hersteller sind Durchstichflaschen von Propofol nach Anbruch sofort, aber spätestens nach zwölf Stunden aufzubrauchen
Anästhesist gestand fatalen Fehler ein, am Tod einer Patientin will er aber nicht schuld sein.

Die Eltern und Geschwister von Pia M. (32) sitzen fassungslos auf der Zuhörerbank im Schwurgerichtssaal am Landesgericht Wiener Neustadt. Sie können nicht glauben, was sie zu hören bekommen.

Ein Oberarzt mit 23-jähriger Berufserfahrung als Anästhesist weiß nicht, dass man das heikle Narkosemittel Propofol steril aufbewahrt und für jeden Patienten ein eigenes Fläschchen verwendet? „Es war blöd, die geöffnete Flasche zu nehmen. Wenn ich das gewusst hätte mit der Verunreinigung, hätte ich es sicher nicht gemacht“, sagt Andrzej Z. (64). Der Oberarzt einer bekannten Klinik des Wiener Gesundheitsverbundes soll dafür verantwortlich sein, dass nach drei Follikel-Punktionen (Eizellen-Entnahmen) in einer Kinderwunschklinik im vergangenen Juni in Baden (NÖ) die 32-jährige Pia M. starb und zwei weitere Patientinnen in ein lebensbedrohliches Koma fielen. Laut Staatsanwalt deswegen, weil der Narkosearzt den drei Frauen ein mit dem Darmkeim „Enterobacter asburiae“ kontaminiertes Propofol injizierte.

Obwohl sich der Mediziner der grob fahrlässigen Tötung nicht schuldig bekennt, gesteht er den fatalen Fehler im Umgang mit dem Narkotikum ein. Mehr noch: Laut dem Intensivmediziner, der an verschiedenen Kliniken für Eingriffe engagiert wird, sei es in den Spitälern gängige Praxis, angebrochene Fläschchen Propofol bei nachfolgenden Patienten aufzubrauchen. „So läuft es in der Praxis“. Dass man damit das Risiko einer Verunreinigung durch Keime massiv erhöht, damit habe er sich beruflich nie auseinandergesetzt. „Das ist absurd zu behaupten, dass man das als Anästhesist nicht weiß“, reagiert Opferanwalt Klaus Zotter empört auf die Aussagen. Auch der Richter wirft ein, dass der Arzt vermutlich Tausende Patienten damit narkotisiert habe.

Andrzej Z. hatte am 2. Juni mehrere Narkosen in einer gynäkologischen Klinik durchgeführt und von dort ein durchstochenes Fläschchen entgegen den einschlägigen Vorschriften mitgenommen – in seiner Jausenbox. „Es war Schicksal. Ich weiß nicht warum“, so der Arzt.

Causa Kinderwunschklinik: Propofol in Jausenbox als tödliche Keimschleuder

Der angeklagte Arzt mit Rechtsanwalt Michael Dohr

Propofol zwischen Lebensmittel

Über Nacht lagerte er das Medikament in seinem Kühlschrank zwischen den Lebensmitteln, um es tags darauf zu den geplanten Punktionen nach Baden mitzunehmen. Pia M. erhielt als Erste die volle Dosis. Bei den beiden weiteren Patientinnen, Aleksandra M. und Anna B., kam es zur Vermischung mit einer frischen Flasche des Medikaments. Die geringere Keimmenge bewahrte laut dem Sachverständigen die beiden Frauen vor dem Tod. Pia M. starb hingegen zwei Tage später an einem Multiorganversagen. Sein Fehler tue dem Mediziner unendlich leid, beteuerte er. Dennoch kam es auf Grund eines, von seinem Verteidiger Michael Dohr in Auftrag gegebenen Gutachtens, zu einem Sinneswandel.

Für den Feldversuch wurde ein geöffnetes Propofol in den Kühlschrank des Arztes gelegt. Darmkeim konnt aber keiner nachgewiesen werden. „Dieser Test hat keinerlei Aussagekraft. Wer weiß, was im Juni alles im Kühlschrank lag“, sagen die Opferanwälte.

Richter Erich Csarmann fällte ein Unzuständigkeitsurteil. Der Arzt soll wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang vor einem Schöffengericht angeklagt werden. „Dass sie nicht wussten, dass man ein angebrochenes Propofol‐Fläschchen nicht verwenden darf, kann ich ihnen nicht glauben“, so der Richter.

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