Pernkopf: Grüne als "Weltmeister im Verhindern" von (Öko)-Projekten
Vor allem im Zusammenhang mit den vielen Unwetterschäden ist immer wieder die Warnung der Hagelversicherung gekommen, dass es mit der Bodenversiegelung nicht so weitergehen kann. Wie sehen Sie das?
Stephan Pernkopf: Wir liegen bei der Bodenversiegelung Gott sei Dank besser als andere Bundesländer. Dennoch müssen wir diesen Bereich weiter ernst nehmen. Wir haben jetzt im Herbst ein umfassendes Projekt im Bereich der Regional- und Landesentwicklung in der Raumordnung geplant. Da soll es sogenannte Leitplanungen im ganzen Land geben.
Dort geht es dann um die Fragen, wo man gemeinsame Betriebsgebiete macht, wo der Bodenschutz im Vordergrund steht, wo Entwicklung notwendig ist. Wir müssen einen Paradigmenwechsel schaffen. Strenge dort, wo es notwendig ist, aber auch Flexibilität für Entwicklung ermöglichen.
Wie sieht es da mit dem Bodenschutz konkret aus?
Wir haben ja schon im vergangenen Herbst ein Bodenschutzpaket auf den Weg gebracht. Zum Beispiel weniger Parkplätze vor Supermärkten, mehr Gründächer oder neue Widmungskategorien für nachhaltige Wohnbebauung und auch der Bauzwang bei Neuwidmungen. Neue Einkaufszentren auf der grünen Wiese dürfen bei uns gar nicht mehr gebaut werden. Bei der Errichtung von Fotovoltaikanlagen im Grünland haben wir – auch wenn das manchen nicht passt – eine Beschränkung von zwei Hektar festgelegt, weil wir speziell aus der Pandemiezeit gelernt haben, dass wir wertvolles Acker- und Grünland für die Produktion von Lebensmitteln brauchen.
Welche Lehren hat man beim Schaffen von Wohnraum aus der Pandemie gezogen?
Wir haben gesehen, dass Grünraum sehr wichtig ist, dass es um Naherholungsgebiete geht und die dürfen wir uns nicht vor der Haustüre wegnehmen lassen. Deswegen muss bei den Leitplanungen auch eine gewisse Strenge notwendig sein, da wird das Land auch gerne einmal den „bad guy“ spielen. Aber das ist vorausschauend und weitblickend. Was man natürlich auch in der Pandemie gesehen hat: Viele Städter hat es aufs Land gedrängt. Jeder sucht Häuser mit Garten, die Immobilienpreise steigen etc.
Wie geht das Land damit um? Es wird ja nicht so weitergehen können, dass immer mehr für den Wohnbau aufgeschlossen wird?
Deswegen haben wir ja auch die Siedlungsgrenzen eingeführt, 1.200 haben wir schon verordnet. Darüber hinaus ist keine weitere Verbauung mehr möglich. Das kommt bei den Menschen auch gut an, weil man hat einen gewissen Ist-Status bezüglich des Naherholungsraumes, bezüglich der Grünflächen vor Augen. Und diesen Status sollte man bestmöglich bewahren. Die Siedlungsgrenzen sind absolut und nicht veränderbar.
Von Ihnen schon lange gefordert und jetzt auch beschlossen ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, kurz EAG. Man setzt auf Erneuerbare Energie. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Ich war bei den Regierungsverhandlungen dabei und jetzt ist endlich die Umsetzung gekommen. Ich bin aus drei Gründen sehr froh darüber. Erstens wird der Investitionsstau beseitigt. Es werden jetzt in Niederösterreich Hunderte Projekte realisiert, für die es schon die notwendigen Bescheide gibt. Wir reden hier von 450.000 Haushalten, die man mit Erneuerbarer Energie versorgen kann. Zweitens ist es vorausschauend, wobei Niederösterreich hier seinen Beitrag schneller leisten wird. 2030 möchte der Bund 100 Prozent des Strombedarfs aus Erneuerbarer Energie erzeugen. In Niederösterreich schaffen wir das schon seit 2015.
Also ist man schon am Ziel?
Ja, aber wir werden dennoch weiter ausbauen. So wird sich zum Beispiel die Energie aus Windkraft bis 2030 verdoppeln, es werden aber dennoch weniger Windräder stehen. Möglich macht das der technische Fortschritt. Bei den Fotovoltaikanlagen planen wir eine Vervierfachung der Dachflächen. Alles Verbaute hat Vorrang und dann erst werden Böden genutzt, soweit es noch notwendig ist.
Und der dritte Punkt?
Den habe ich selber stark betrieben. Die Energie-Gemeinschaften, wo man ökologische Nachbarschaftshilfe leisten kann, wenn etwa Strom aus einer Fotovoltaikanlage an den Nachbarn verkauft wird. Hier sind wir sicher unter den Bundesländern die Nummer Eins, weil wir haben dazu schon eine Gesellschaft mit dem Landesenergieversorger EVN gegründet, die Energiezukunft Niederösterreich, wo es jetzt schon über 100 Interessenten gibt, Gemeinden und private Organisationen. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, kann man schon in diese Energie-Gemeinschaften einsteigen.
Ist das Ziel wirklich zu schaffen, das man sich mit dem EAG vorgegeben hat?
Wir werden unseren Beitrag leisten. Vom Gesamtkuchen Erneuerbare Energie kommen derzeit 50 Prozent aus Niederösterreich. Wo die anderen 50 Prozent herkommen, da hege ich zum jetzigen Zeitpunkt noch große Zweifel, das stelle ich sogar massiv infrage.
Weil in anderen Bundesländern, etwa im Bereich der Windkraft, zuwenig ausgebaut wird?
Die Ziele sind theoretische, die Nagelprobe findet immer erst in der Praxis statt. Von der Energiewende zu reden ist zu wenig, man braucht auch die Umsetzung. Hier muss ich die Grünen massiv kritisieren, weil sie von der Praxis vor Ort kein Bild haben. Ich könnte Hunderte Beispiele aufzählen, wo Energieprojekte an der Basis von den Grünen bekämpft werden. Das muss abgestellt werden. Es wird der Bau eines Transformators verhindert, anderswo wird ein Windrad verhindert, in einem weiteren Ort geht man gegen die Optimierung eines Kleinwasserkraftwerkes vor.
Die Energiewende entscheidet sich also an der Basis?
Die Grünen wollen die Windräder und Fotovoltaikanlagen verdoppeln, aber Leitungen will man nicht bauen. So geht das nicht. Wer bei der Energiewende A sagt, muss auch B sagen. Wer den Ausbau von Erneuerbarer Energie will, muss auch zu Stromleitungen Ja sagen, damit diese rasch genehmigt werden können. Bei einzelnen Projekten sind die Grünen leider Weltmeister im Verhindern.
Heftig diskutiert wird auch die Rolle von Gas im Zuge der Energiewende. Was kommt da auf die privaten Haushalte zu?
Hier gibt es einen Umstiegsplan, wobei die Linie der ÖVP sehr klar ist. Wenn Infrastruktur wie Gasleitungen schon im Boden liegt, ist für uns die optimale Lösung, dass das Gas durch grünes Gas substituiert wird. Hier soll es noch im Herbst eine Lösung geben. Ich halte nichts davon, eine Energieform zu verteufeln. Da ist ja enorm investiert worden, da liegt ja Volksvermögen in Form von Gasleitungen im Boden.
Was ist für Sie grünes Gas?
Das wird zum Beispiel aus Abfällen gewonnen. Das ist ein klimafreundlicher Heizstoff. Das ist unser Ziel. Das sehen die Grünen etwas anders, aber da wird die Praxis entscheiden, was funktioniert und was nicht. Energiepolitik hat sehr viel mit intelligenten Anwendungen zu tun. Man muss bei solchen Vorhaben ja auch die Menschen mitnehmen. Die Diskussion, dass die Energiewende den Menschen etwas wegnimmt, halt ich für einen kompletten Blödsinn.
Die CO2-Steuer wird kommen. Sie waren bei den Regierungsverhandlungen dabei: Muss man sich vor dieser Steuer fürchten?
Nein. Es gibt Modelle, wie etwa in Schweden, die funktionieren. Ich erwarte mir hier Lenkungseffekte, Belohnung für jene, die früh auf klimafreundliche Alternativen umsteigen, und auch eine langfristige Planung der Maßnahmen.
Werden es nicht die Pendler sein, die am meisten draufzahlen?
Ökosozial heißt, dass es hier einen Ausgleich gibt. Klar ist: Man darf nicht nur die Städte im Auge haben. Gerade die Menschen im ländlichen Raum, die auf das Auto angewiesen sind, dürfen nicht die Verlierer sein.
Was sind Ihre Forderungen im Hinblick auf diese Klimaschutzmaßnahme?
Die Umsetzung muss mit Hausverstand passieren. Alternativen müssen leistbar gemacht werden, zum Beispiel mit Förderungen.
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