Naturschauspiel in Marchegg: Die Störche sind im Anflug
Dieser Tage richten viele Marchegger ihren Blick immer wieder nach oben. Sicher ist sicher, schließlich weiß man nie, wann es so weit ist. „Sobald sie landen, spricht es sich dann herum wie ein Lauffeuer“, weiß Andreas Pataki, Geschäftsführer der Schloss Marchegg GmbH. Die Rede ist natürlich von den Weißstörchen, die jedes Jahr in die Stadtgemeinde kommen. Tausende Kilometer legen sie zurück, um ins Marchfeld zu gelangen und dort ihren Nachwuchs großzuziehen. Ein Naturschauspiel, das am Montag mit der Ankunft der ersten beiden Störche eingeläutet wurde.
Seit über 130 Jahren besiedeln die Störche ihre Nistplätze in Marchegg. Dennoch wissen nur die wenigsten, dass es sich dabei um die größte auf Bäumen brütende Weißstorchkolonie Mitteleuropas handelt. „Wir haben viermal mehr Störche als Rust“, macht Pataki bewusst.
Altes Nest
Die geschützten Vögel fühlen sich auf den alten Baumbeständen des Auenreservats und im Schlosspark besonders wohl. Über die Jahre haben sie es sich auch auf den stillgelegten Schornsteinen des Schlosses bequem gemacht. „Derzeit haben wir zwölf Horste am Schloss“, sagt der Geschäftsführer. Und um die Nester, die bis zu einer Tonne wiegen, herrscht unter den Vögeln ein harter Wettkampf – genauer gesagt unter den Männchen, die den Weibchen stets vorausfliegen.
„Die Weibchen suchen sich jenen Storch aus, der den schönsten Horst hat“, erzählt Pataki. Denn ein Partner mit Geschick kann bei der Brut entscheidend sein – mitunter sogar lebensentscheidend. „Bei den Störchen brüten Weibchen und Männchen. Und es fliegen auch beide aus, um Futter und Nistmaterial zu sammeln“, schildert Pataki. So ist der Nachwuchs niemals unbeaufsichtigt. Der weite Flug nach Afrika, den die Jungtiere dann im August getrennt von ihren Eltern antreten müssen, kommt auch so früh genug.
Zwei bis drei Jahre bleiben die jungen Störche in Afrika oder anderen warmen Regionen, bis sie wieder nach Europa zurückkehren. „Und dort suchen sie zuerst den Horst auf, in dem sie aufgewachsen sind.“ Ebenso wie die Weibchen, die bereits hier gebrütet haben; sobald sie nach dem Winter in Europa ankommen, suchen sie zuallererst jenen Horst auf, in dem sie im Vorjahr genistet haben. Erst dann entscheiden sie, welcher Storch ihr diesjähriges Herzblatt sein wird. Die Brut beginnt im April.
Dass die Störche Jahr für Jahr nach Marchegg fliegen, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Denn im übrigen March-Thaya-Raum geht die Zahl der Brutpaare kontinuierlich zurück; wurden im Jahr 1996 zwischen Bernhardsthal und Angern noch 35 Paare gezählt, waren es im Vorjahr nur noch fünf, wie Zahlen des WWF belegen. Die Regionen werden immer trockener, die Störche finden immer weniger geeignete Habitate. „Es wurde beobachtet, dass immer mehr Tiere auf Müllhalden ausweichen. Dort fangen sie Mäuse und Ratten“, sagt Pataki.
Neuer Rekord
Marchegg und das umliegende Auenreservat bildet angesichts dieser Entwicklungen eine seltene Ausnahme. In den Wiesen und Tümpeln finden die Vögel nach wie vor jede Menge Nahrung. Die halbwilden Konikpferde, die in den Marchauen die Wiesen abweiden, machen ihnen die Jagd auf Großinsekten zudem leichter. So kam es, dass im Vorjahr 39 Paare in Marchegg brüteten. Insgesamt flogen Ende August 108 Jungvögel von der Stadtgemeinde aus nach Afrika. Mit einem Schnitt von 2,77 flüggen Jungvögeln pro Brutpaar wurde damit ein neuer Rekordwert für die letzten Jahrzehnte erreicht.
Marchegg ist also zurecht stolz darauf, Storchenstadt zu sein. So stolz, dass man den Besuchern der Region die Geschichte und das Wissen um die Tiere näherbringen möchte. Im Schloss ist das Storchenhaus untergebracht, das auch Führungen anbietet. Dort kann man dank 360-Grad-Kameras, die am Schlossdach montiert wurden, auch einen Blick in die Nester der Vögel erhaschen.
Kommentare