Musikalisches Erbe in die Gegenwart geholt
Gleich am ersten Arbeitstag setzte es für Michael Linsbauer eine große Überraschung, eigentlich sogar zwei: „Mir wurden sozusagen zwei Babys in den Schoß gelegt“, sagt der Musikexperte in der Kulturabteilung des Landes NÖ lachend. Zwölf Jahre später hat sich dieser Nachwuchs prächtig entwickelt.
Gemeint sind damit das Haydnhaus Rohrau und die Serenadenkonzerte des Landes NÖ. Heute tragende Elemente des Kulturlebens im Land, 2010 war vom einstigen Glanz aber nicht mehr viel übrig. „Auf einen Schlag war ich damit nicht nur Musikverantwortlicher in der Kulturabteilung, sondern auch Museumsdirektor und Festivalleiter. Ich war 28 Jahre alt und vielleicht etwas naiv, aber ich dachte mir, wenn ich das mache, dann mache ich es g’scheit“, erzählt Linsbauer.
Dabei trat er ein großes Erbe an. In dem strohgedeckten Bauernhaus in Rohrau (Bezirk Bruck) wurde der weltberühmte Komponist Joseph Haydn am 31. März 1732 geboren. 1958 kam das Haus in den Besitz des Landes, 1959 wurde es anlässlich des 150. Todestages Haydns als Museum eröffnet. Doch 2010 „war das Museum am Stand von 1959. Es gab keine Führungen, keine Veranstaltungen, gar nichts“, erinnert sich Linsbauer. „Ich dachte mir, es wäre schade, wenn man so etwas nicht nutzen würde“.
Für seine Ideen gab es vom Land volle Rückendeckung, sodass nicht nur das Museum auf den neuesten Stand gebracht wurde, sondern 2017 auch gleich ein neues Festival aus der Taufe gehoben wurde: Der Konzertreigen „Haydnregion Niederösterreich“ mit Konzerten an Spielstätten in der gesamten Geburtsregion der Brüder Haydn. Linsbauer: „Aus einem Pilotprojekt ist eine Institution geworden, mit der sich die ganze Region identifiziert. Wir haben bei fast allen Konzerten hundert Prozent Auslastung“.
Tradition und Zeitgeist
Auch das zweite „Baby“ brauchte viel Zuwendung: Die Serenadenkonzerte wurde 1960 ins Leben gerufen, um „die Stars der Musikwelt aufs Land zu bringen, die man sonst nur aus Wiener Konzertsälen kannte“, so Linsbauer. Ein zeitloser Ansatz, allerdings drohte die älteste Konzertreihe des Landes sanft zu entschlafen.
Dabei ist das Konzept dahinter ebenso simpel wie einzigartig. Man nehme große Stimmen, kombiniere sie mit Werken großer Komponisten und führe das Ganze auch noch an besonderen Orten auf. Woran es in NÖ nicht mangelt.
Denn nicht nur Haydn hat einen engen Bezug zu NÖ. Beethoven etwa arbeitete in Baden an seiner 9. Symphonie, Franz Schubert wiederum war öfters Gast auf Schloss Atzenbrugg. Der Komponist und Hofkapellmeister von Kaiser Franz Joseph, Benedict Randhartinger, wurde in Ruprechtshofen (Bezirk Melk) geboren, der Komponist und Gründer des Pariser Konzertsaales Ignaz Joseph Pleyel in Ruppersthal (Bezirk Tulln); und in St. Peter in der Au (Bezirk Amstetten) kam Operettenkomponist Carl Adam Zeller zur Welt. Mozart war einige Male in Laxenburg zu Gast. Hugo Wolf schrieb sein „Italienisches Liederbuch“ in Perchtoldsdorf, Arnold Schönberg seine Zwölftonmusik in seiner Mödlinger Villa.
Mit „Musik am Ursprung“ werden die Gedenkstätten an diese berühmten Musiker bei den Serenadenkonzerten zu Spielstätten. „2021 haben wir eine Ernst-Krenek-Serenade in Krems ins Programm aufgenommen. Die Reihe soll auch nicht im 19. Jahrhundert stehen bleiben. Vielleicht gibt es in Zukunft eine Gottfried-von-Einem-Serenade. Die Auswahl lässt sich beliebig erweitern. Nur das Publikum muss mitspielen“, erklärt der Festivalleiter. Kombiniert werden die Konzerte oft mit Lesungen, wobei man – obwohl kleinere Spielorte – große und bekannte Stimmen erleben kann. „Es gibt einige, die sich gerne in den Dienst der Sache stellen, weil sie den Charme der Originalschauplätze schätzen“.
Wurzeln geschlagen
„Man darf sich nicht für das musikalische Erbe genieren, auch wenn zeitgenössische Kunst stark gefragt ist. Die Serenadenkonzerte haben eine überregionale Bedeutung bekommen und man hat das Gefühl, dass sie Wurzeln geschlagen haben.“
Linsbauer selbst ist zwar in Wien geboren und wohnt meistens dort, aber „drei von vier Großeltern kommen aus dem Waldviertel. Die Wochenenden verbringe ich oft in Geras.“ Die Liebe zur Musik wurde ihm dabei in die Wiege gelegt. „Mein Vater hat Musikfestivals geleitet, meine Schwester ist Konzertpianistin, dass auch ich mich in eine musikalische Richtung bewege, war absehbar“, erzählt er.
Cello hat er schon als Kind gespielt, später auch studiert, aber „ein Programm zu gestalten, zu kuratieren hat mich schon bald fasziniert“. Es folgte ein Studium Kulturmanagement und dann „wollte ich eigentlich zwei Jahre nach Paris gehen“. Der Job beim Land NÖ kam dazwischen und „aus Paris wurde Rohrau, das hat sich so ergeben“, sagt er lachend.
Ob es ihn nicht manchmal reize, selbst auf der Bühne zu stehen? „2008 habe ich bei meiner Diplomprüfung gespielt, dann den Cello-Koffer zugemacht und ihn seitdem nicht mehr geöffnet. Ich spiele bei den Konzerten innerlich mit, aber mehr muss es gar nicht sein“. Wobei, Chancen auf ein Comeback gibt’s doch: „Ich habe zwei Nichten, die Klavier und Geige spielen. Für ein Trio bräuchte es noch ein Cello, in dem Fall überlege ich es mir noch einmal“, meint Linsbauer mit einem Schmunzeln.
Haydnregion
Unter dem Motto „Faszination Haydn“ präsentiert die „Haydnregion NÖ“ von
27. März bis 4. Dezember ein von Joseph und Michael Haydn inspiriertes Programm mit 30 Veranstaltungen
an 14 Standorten in
10 Gemeinden des Bezirks Bruck an der Leitha. Das nächste Konzert ist „Die Tanzgeiger auf Haydns Spuren“ am 27. August, Weingut 20er Schulz, Göttlesbrunn
Serenadenkonzerte
Die 1960 gegründeten „Serenadenkonzerte“ sind die älteste durchgehend existierende Konzertreihe in NÖ.
An musikhistorischen Gedenkstätten wird an zehn Wochenenden bis 30. Oktober den Werken des jeweiligen Genius Loci ein Podium am „Originalschauplatz“ geboten. Los geht’s am 28. August mit der Carl-Zeller-Serenade in Schloss St. Peter in der Au, am 4. September folgt die Schubert-Serenade in Schloss Atzenbrugg
www.haydnregion-noe.at
www.serenadenkonzerte.at
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