NÖ: Hinrichtung am Parkplatz - Mordverdächtiger ist "Bekannter" der Justiz
Parallelgesellschaften, Drogengeschäfte, Bandenkriege und Clans, die „ihre Viertel“ für die organisierte Kriminalität unter sich aufteilen.
Was in diversen Großstädten Deutschlands Behörden und Polizei vor massive Probleme stellt, könnte auch bald nach Wien oder Niederösterreich überschwappen. Ist die Bluttat von Sonntagfrüh auf dem Cine Nova Parkplatz in Wiener Neustadt bereits ein Auswuchs solcher Entwicklungen? Noch haben die Ermittler des NÖ Landeskriminalamt keine passende Antwort auf diese Frage, Tendenzen seien aber durchaus erkennbar.
„Eine richtige Nos’n“. So beschreibt ein erfahrener Polizist den 42-jährigen Hasan D. Der polizeibekannte und vorbestrafte türkische Unternehmer steht im Verdacht, einen 34-jährigen Landsmann – ein umtriebiger Händler wohnhaft in Wien-Liesing – mit drei Schüssen aus nächster Nähe getötet zu haben. Bei den Ermittlern ist von einer „Hinrichtung“ die Rede. Der mutmaßliche Schütze wurde Stunden später auf der Flucht in Ungarn gefasst.
Heuer schon einmal vor Gericht
Hasan D. ist in Polizei- und Justizkreisen bestens bekannt. Seit Jahren bewegt sich der Chef eines türkischen Supermarktes und Fleischhandelsbetriebes auf einem schmalen Grat zwischen Gesetzesbruch und Legalität.
Erst im vergangenen Jänner wurde dem 42-Jährigen am Landesgericht Wiener Neustadt zusammen mit seinem Sohn der Prozess gemacht. Beide wurden wegen Betrugs zu 14 Monaten bedingter Haft verurteilt. Hasan D. hatte im Bezirk Wiener Neustadt einen Fleischgroßhandel betrieben. Im Frühjahr 2022 wurde das Unternehmen allerdings wegen schwerer Hygiene-Missstände behördlich geschlossen.
Als die Familie kurz darauf auf den Namen des Sohnes einen Supermarkt eröffnete, bestellte man 6,9 Tonnen Rindfleisch zum Preis von 42.000 Euro von einem polnischen Fleischlieferanten. Die Firma wurde allerdings übers Ohr gehauen und erstatte Anzeige.
Gefälschte Zahlungsbestätigung
Wie der Prozess zu Tage brachte, schickten Hasan D. und sein Sohn eine gefälschte Zahlungsbestätigung für die Ware und blieben 32.000 Euro des Betrages schuldig – lediglich 10.000 Euro Anzahlung wurden geleistet. Vater und Sohn wurden außerdem dazu verurteilt, die ausständige Summe zu bezahlen.
Der Tatverdächtige und das Opfer kennen sich von diversen Geschäften in Wien. Auf dem Naschmarkt sollen beide als Händler tätig gewesen sein. Der Getötete verdiente sein Geld auch mit Beteiligungen an Autohandel, Garagen- und Werkstattvermietung, einem Taxiunternehmen und einer Werbeagentur.
Zahlreiche Zeugen
Die Kriminalisten gehen Hinweisen nach, wonach zwischen dem mutmaßlichen Schützen und dem Opfer ein Streit um Geld und Drogengeschäfte eskaliert ist. Wegen des Konflikts soll es Samstagnacht gegen 0.30 Uhr zu einer Aussprache vor dem Kinocenter in Wiener Neustadt gekommen sein.
Auf dem voll besetzten Parkplatz soll Hasan D. vor zahlreichen Augenzeugen plötzlich eine Faustfeuerwaffe gezogen und seinen Kontrahenten aus nächster Nähe erschossen haben. Anschließend flüchtete er.
Warten auf Auslieferung
Die Vorgangsweise trägt die Handschrift von Clankriminalität. „Solange wir den Beschuldigten aber nicht befragt haben, ist alles weitere Kaffeesudlesen“, erklärt ein Kriminalist.
Wie Silke Pernsteiner von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bestätigt, geht es nach der Festnahme des 42-Jährigen in Ungarn nun um seine Auslieferung nach Österreich. Festgenommen wurde der Verdächtige laut Polizeisprecher Stefan Loidl in Röszke. Die Stadt liegt an der ungarisch-serbischen Grenze etwa 430 Kilometer vom Tatort in Wiener Neustadt entfernt.
➤ Mehr dazu hier: Anklage gegen den "Paten"
Über die Auslieferung entscheiden die ungarischen Behörden. In so einem Fall wird der Beschuldigte an der Grenze übergeben. In dringenden Fällen ist es auch möglich, dass der Beschuldigte bereits vorab von österreichischen Ermittlern in Ungarn verhört wird.
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