Anklage gegen den "Paten": So brutal ist die Drogenmafia
Dario D. alias "Dexter" steht im September wegen Drogengeschäften vor Gericht. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Im Hintergrund geht es um Folter und Morde.
Man muss nicht nach Kolumbien sehen. Auch nicht auf den Balkan. Die Drogenmafia ist längst in Österreich. Mit straffen Hierarchien, beinharten Revierkämpfen und einem Regime der Angst.
Nur selten gelingt es, Einblick in diese Welt zu bekommen. Wer den Mund aufmacht, muss um sein Leben fürchten. Doch die Ermittlungen gegen Dario D., besser bekannt als "Dexter"(nach der blutrünstigen TV-Serie, Anm.), lüften den Schleier. Sie offenbaren eine Parallelwelt, in der ein Menschenleben wenig zählt. In der Feinde gefoltert und ihre Überreste in einem Fleischwolf zerkleinert werden.
Der Serbe Dario D. soll weit oben in der Hackordnung des montenegrinischen Kovacian-Clans stehen – er befindet sich aktuell in Wien in Untersuchungshaft. Im vergangenen Dezember wurde er zu elf Jahren Haft verurteilt (nicht rechtskräftig, Anm.), weil er einem Mann mitten in Wien 13 Kilo Kokain geraubt haben soll.
Doch das ist noch einer der harmloseren Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden.
Prozess im September
Im kommenden September wird Dexter wegen Drogenhandels im großen Stil in Wien ein mehrtägiger Prozess gemacht – es geht um 500 Kilogramm Kokain und Heroin. Und selbst das ist nur die Spitze des Eisberges.
Auf 180 Seiten listet die Staatsanwaltschaft Drogenübergaben auf. Einmal sind es 50 Gramm, ein anderes Mal 20 Kilo. Die Abnehmer nennen sich Asterix, Totengräber oder Casanova. Mit dem Lkw wurde das Suchtgift aus den Niederlanden nach Österreich gebracht, hier in Bunkerwohnungen gelagert. Fehlverhalten wurde bestraft.
Unweit von Belgrad fanden Ermittler einen Folterkeller inklusive eines industriellen Fleischwolfs, auf dem sich DNA-Spuren von zahlreichen Personen fanden.
"Frohes Neues Jahr! Wünsche allen Gesundheit und Geld und viel feindliches Blut vergossen. (sic!)"
Kopf hinter all dem soll Dexter gewesen sein. Ein stämmiger 35-jähriger Mann, kurz geschorene Haare, leicht heisere Stimme. Er schwieg bisher zu den Vorwürfen. "Er wird auch weiterhin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen", sagt sein Anwalt Werner Tomanek. "Denn die Beweise, die die Staatsanwaltschaft hier vorbringt, sind rechtswidrig erlangt worden."
Er meint damit die belastenden Chats und Bilder, die via – angeblich abhörsicheren – Kryptohandys ausgetauscht wurden. Doch das FBI las mit.
Die Unterwelt unterhielt sich in dem vermeintlich exklusiven Rahmen ganz offen über Verbrechen aller Art:
"Ich wünsche euch weitere neue, siegreiche Schlachten." – "Und tote Feinde."
"Wir werden sie alle nacheinander töten."
"Ich schwöre, dass ich meine Freunde nie verkaufen werde und dass ich mit den Feinden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen werde."
"Ein Lied für Vlada Roganovic!" (wurde am 21 12. 2018 in Wien beim Lokal Figlmüller erschossen, Anm.)
"Frohes Neues Jahr! Wünsche allen Gesundheit und Geld und viel feindliches Blut vergossen. (sic!)"
"Na bring ihn um, wen interessiert er. Und dann in den Fleischwolf." – "Ja eh."
"Was die Körper betrifft – alle sind maschinell zerfleischt und weggeworfen. Das heißt, sie können nichts finden."
"Was ist das? (bezieht sich auf ein verschicktes Video, Anm.) Wen foltert ihr?" – "Später, warte. Das ist der Zweite heute."
Außerdem wurden Fotos und Videos verschickt. Von Drogen. Von verängstigten Menschen, die bedroht, verstümmelt und gefoltert wurden. Aber auch jede Menge Selfies. Der verdächtige Dexter schickte Bilder von sich am Bett liegend, im Aufzug, mit Haube. Einmal mit strengem Blick, einmal erwartungsvoll lächelnd. Diese Bilder – und markante Tonaufnahmen – sind es, die die Ermittler zu ihm brachten.
Schweigen
Zeugen, die gegen ihn aussagen, gibt es nicht. "Ich weiß nicht, wo das Problem ist", sagte Dario D. in einem vergangenen Prozess. "Ich habe doch gesagt, dass ich nicht schuldig bin." Und: "Es wird niemand gegen mich aussagen." Dennoch sind zahlreiche mutmaßliche Komplizen – etliche von ihnen wurden bereits verurteilt – beim Prozess geladen.
"Na bring ihn um, wen interessiert er. Und dann in den Fleischwolf." – "Ja eh."
Zumindest in der Vergangenheit hatte eine Aussage gegen den Verdächtigen Konsequenzen. Dexter stand 2008 in Serbien wegen zweifachen Mordes vor Gericht und wurde verurteilt. Auch deshalb, weil ein Zeuge ihn belastet hatte. Im Jahr 2020 wurde der Vater dieses Zeugen in Belgrad durch mehrere Schüsse getötet. Ermittler sind davon überzeugt, dass Dexter den Auftrag dazu gegeben hat.
Doch es ist nicht der einzige Todesfall in seinem Umfeld. Auch ein Mann, der den Auftrag hatte, Dexter zu töten, wurde im März 2020 tot in Serbien aufgefunden. Der mutmaßliche Auftraggeber wurde im Vorfeld gefoltert, bevor er umgebracht wurde. Insgesamt vier Morde werden Dexter von den serbischen Behörden vorgeworfen. Sie haben seine Auslieferung beantragt – doch entsprechende Ermittlungen laufen auch in Österreich. Im kommenden Verfahren sind sie aber noch kein Thema.
Die Drogenclans sollen in enger Verbindung mit der serbischen Hooligan-Szene stehen. So tauchen Namen aus der Fanszene auch immer wieder bei den Ermittlungen rund um die Drogenkartelle auf.
Der Kovacian-Clan soll etwa seinen Ursprung in Fangruppen des serbischen Fußballvereins Partizan Belgrad haben. 2016 wurde ein Hooligan-Anführer von Partizan auf offener Straße ermordet. Und dieser Mann wiederum hatte engen Kontakt zu Vladimir Roganovic, der im Dezember 2018 in der Wiener Innenstadt mit mehreren Schüssen hingerichtet worden war. Roganovic war ebenfalls ein hochrangiges Mitglied des Kovacian-Clans.
Dario D. soll bereits seit Jahren Mitglied des Kovacian-Clans sein. Vermutlich 2020 soll er eine führende Tätigkeit übernommen haben und unter anderem für die Geschäfte in und rund um Österreich verantwortlich gewesen sein. In Österreich ist er unbescholten. In Serbien verbüßte er bereits eine Haftstrafe wegen schweren Mordes. Weitere Ermittlungen in seinem Heimatland laufen.
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