Mit Frauenpower gegen den Fachkräftemangel

Mit Frauenpower gegen den Fachkräftemangel
Im Weinviertler FiT-Zentrum beweisen Frauen ihr Talent in der Technik und im Handwerk.

Jacqueline Grafinger weiß genau, was sie will. Sie möchte KFZ-Technikerin werden - ein noch immer ungewöhnlicher Berufswunsch für eine junge Frau. „Ich komme aus einer Mechaniker-Familie“, erklärt Grafinger, warum es sie in die Werkstatt zieht.

Um ihre Pläne zu verwirklichen, hat Grafinger bereits einige Praktika als KFZ-Technikerin absolviert. Und sie ist eine von rund 20 Frauen, die in der Schnupperwerkstatt am Weinviertler FiT-Zentrum im 21. Wiener Bezirk an handwerklichen und technischen Aufgaben arbeiten. Dort sollen sie sich ausprobieren, im besten Fall einen neuen Wunschberuf finden. Oder, wie in Grafingers Fall, den Traumberuf verwirklichen. Neben der KFZ-Technik streben die Frauen am FiT-Zentrum Weinviertel noch zahlreiche weitere Berufe an: Tischlerin, bautechnischen Zeichnerin, Speditionskauffrau, Labortechnikerin – das und vieles mehr kann im FiT-Programm erlernt werden.

Potenzial nutzen

Mit dem FiT-Programm sollen Frauen beim Umstieg in klassische „Männerberufe“ unterstützt werden. In Anbetracht des Fachkräftemangels sei das auch dringend notwendig, wie die Verantwortlichen betonen. „Es ist, glaube ich, nicht unbekannt, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel nicht ohne die Frauen, ohne das Potenzial von Frauen, gelöst werden kann“, so eine der beiden Geschäftsführerinnen des ABZ Austria, Manuela Vollmann. Das ABZ, ein Verein zur Förderung von Arbeit, Bildung und der Zukunft von Frauen, führt das Programm im FiT-Zentrum Weinviertel durch. Gefördert wird es aus Mitteln des AMS.

Sind mehr Frauen in der Technik oder im Handwerk vertreten, hat das jedoch nicht nur Vorteile für die Wirtschaft. Auch für die Frauen selbst stellt das Ergreifen eines Berufes in diesen Bereichen eine große Chance dar - vor allem, wenn es um den Verdienst geht. So würden die Einstiegsgehälter von Mechatronikerinnen oder KFZ-Technikerinnen etwa um 600 bis 700 Euro höher ausfallen als jene von Einzelhandelskauffrauen oder Kosmetikerinnen.

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Für die Frauen, die das FiT-Programm absolvieren, handelt es sich meist um den zweiten Berufsweg. In einer ersten, sechswöchigen Phase kann man in die Berufe reinschnuppern sowie die eigenen handwerklich-technischen und digitalen Fertigkeiten erproben. Anschließend bauen die Teilnehmerinnen in der Basisqualifizierung ihre mathematischen, naturwissenschaftlichen, technischen und ihre digitalen Fähigkeiten weiter aus.

Vorurteile ausräumen

Zudem werden die Frauen auf ihre Ausbildungen vorbereitet. Gemeinsam mit den Trainerinnen wird dafür an individuellen Lösungen gearbeitet. „Wir schauen: Wo steht die Frau jetzt und was braucht sie gerade?“, so Tatjana Hazagordzian, ABZ-Projektleiterin am FiT-Zentrum Weinviertel. Die Ausbildungen selbst können dann in Form von verkürzten Lehren, Kollegs oder Studien an einer Fachhochschule erfolgen.

Wieso die meisten Frauen erst im zweiten Anlauf ihren Weg in die Technik oder das Handwerk finden, hat viele Gründe: Zum einen fehle es an Wissen über das Ausbildungsangebot sowie an weiblichen Vorbildern, zum anderen würden klassische Geschlechterrollen und Vorurteile nach wie vor ein Problem darstellen. „Ich hatte eine Dame am Infotag, die wollte immer Tischlerin werden, aber ihr Vater hat es verboten. Sie musste Konditorin werden“, erzählt Hazagordzian.

Auch hier sind Teilnehmerinnen wie Jacqueline Grafinger das beste Vorbild: Denn Praktika seien eine gute Gelegenheit für Frauen, mit Vorurteilen aufzuräumen. Nur so würden die Verantwortlichen und die Kollegen in den Betrieben sehen, was Frauen alles leisten können. Über die vergangenen Jahre hinweg habe man so einige Zweifel beseitigt, sagen die Expertinnen.

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15 Jahre gibt es das Weinviertler FiT-Zentrum bereits. Seither haben rund 800 Frauen eine Ausbildung in der Technik oder im Handwerk begonnen. Sie können nun jene Vorbildrolle einnehmen, die in der Vergangenheit oft fehlte.

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