Ludwig Schleritzko: "Gewessler agiert absolut ideologisch"
KURIER: Herr Landesrat, der Konflikt wegen der gestoppten Straßenbauprojekte wird immer brisanter. Es gibt ein Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer, dass Ministerin Leonore Gewessler rechtswidrig gehandelt hätte. Die FPÖ hat sogar den Staatsanwalt eingeschaltet. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Schleritzko: Das Gutachten bestätigt, was ich schon seit Anbeginn der Diskussion rund um die Projekte S 1 mit dem Lobautunnel, S 8 im Marchfeld und auch S 34 bei St. Pölten gesagt habe. Die Projekte sind im geltenden Bundesstraßen-Gesetz verankert und daher ist die Bundesministerin verpflichtet – wie auch in den aktuellsten Gutachten ersichtlich –, sie auch umzusetzen. Jetzt geht es einmal um die S 1 und den Lobautunnel.
Warum beharren Sie gemeinsam mit der Stadt Wien auf diesen beiden Projekten?
Wir wollen nördlich der Donau die Errichtung des S 1-Teilstückes, für das alle Genehmigungen vorliegen, mit Wien durchsetzen. Das ist aus niederösterreichischer Sicht wichtig, weil es einerseits für den Anschluss der geplanten S 8 notwendig ist. Für Wien ist es wegen der Stadtstraße entscheidend.
Da ist man in guter Abstimmung mit Wien?
In sehr guter Abstimmung. Man muss nur aufpassen, weil es immer wieder Angebote des Bundes für kleinere Varianten gibt. Da sind wir sehr vorsichtig, weil die S 1 ein bereits genehmigtes Projekt ist. Wenn man dort jetzt zum herumdoktern anfängt, dann müsste man den Verfahrenslauf noch einmal von vorne beginnen. Das würde die Projekte nochmals um fünf bis zehn Jahre verzögern.
Also will man die S 1 und den Lobautunnel auf jeden Fall durchziehen?
Wir kämpfen darum, gemeinsam mit Wien. Und auch wir werden – wenn es notwendig ist – Gerichtsverfahren einleiten. Noch ist es aber nicht soweit.
Der Gerichtsweg ist eine Variante. Ist politisch keine Lösung mehr möglich?
Die politische Situation ist hier sehr verfahren. Die Ministerin agiert hier absolut ideologisch und nicht pragmatisch. Aus unserer Sicht auch nicht im Sinne der Menschen. Die S 1 und der Lobautunnel würden eine wesentliche Entlastung der A23 bringen, weil derzeit über die Südosttangente der ganze Transitverkehr verläuft. Vergleichbare Städte in Europa haben eine Umfahrung.
Für Niederösterreich geht es da dann auch noch um die Marchfeld-Schnellstraße S8?
Selbstverständlich. Ich glaube auch, dass der Ministerin nicht bekannt ist, wie sehr die Menschen im Bezirk Gänserndorf unter dem Verkehr leiden, wenn sich etwa in Deutsch Wagram 35.000 bis 40.000 Autos pro Tag durchstauen. Sie hat sich das auch nie persönlich angeschaut. Hier verschließt sie die Augen.
Kommen wir zu einem anderen Thema, das Sie als Landesrat für die Finanzen stark beschäftigt: die Teuerungswelle. Wie sehr bereitet Ihnen das schlaflose Nächte?
Die vergangenen fünf Jahren waren in vielen Bereichen herausfordernd. Die Teuerung ist nur die neueste Entwicklung. Aber wir haben die Covid-Krise geschafft, wir werden die Auswirkungen des Ukraine-Krieges stemmen und stellen uns auch dieser Herausforderung. Die Teuerungswelle ist natürlich eine große Belastung. Sowohl für uns im Budget, weil sie sich auch auf unsere Projekte durchschlägt, aber natürlich auch für die Geldbörsel der Niederösterreicher.
Wie kann das Land helfen?
Wir setzen dem natürlich etwas entgegen, aber bereits seit Jahren. Es gibt einen Heizkostenzuschuss, diverse Förderungen im Wohnbau, es gibt Förderungen für den Schritt „Raus aus Öl“. Es gibt auf den verschiedensten Ebenen umfassende Angebote, wo Menschen sich Geld als Hilfe gegen die Teuerung abholen können. Es gibt ja auch schon vom Bund ein Anti-Teuerungspaket in der Höhe von 3,7 Milliarden Euro und eine Steuerreform im Umfang von unglaublichen 18 Milliarden Euro. Nur sieht man das halt jetzt noch nicht.
Vor fünf Jahren sind Sie mit der Ansage angetreten, dass es 2021 ein Nulldefizit geben soll. Dann machte Corona den Plan zunichte. Was sind die neuen Perspektiven?
Das angekündigte Nulldefizit war wegen Covid nicht mehr möglich. Wir waren davor auf einem extrem guten Weg. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass wir das Nulldefizit 2021 geschafft hätten. Covid hat uns ein Loch ins Landesbudget gerissen. Wir sprechen hier von einem Volumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro. Wir haben bewusst dafür Schulden gemacht und den Weg des Nulldefizits verlassen. Ich bekenne mich aber dazu, dass wir wieder auf ein konsolidiertes Budget hinarbeiten müssen.
Sie haben den Weg ja schon angekündigt gehabt und dann kam der Ukraine-Krieg.
Das stimmt. Ich hoffe aber dennoch, dass wir im Laufe der kommenden Legislaturperiode von 2023 bis 2028 ein Nulldefizit schaffen werden. Ich gehe sogar davon aus, da bin ich zuversichtlich.
Es sind jetzt fünf Jahre, dass Sie in die Politik eingestiegen sind. Ist die Politik so, wie Sie sie erwartet haben?
Die Politik ist so, wie ich sie zum Teil gekannt habe. Ich war ja zum Teil in politischen Büros in der zweiten und dritten Reihe tätig gewesen. Ich glaube, jeder, der einen Schritt in die erste Reihe macht, kann sich nicht vorstellen, was auf ihn zukommt. Aber ich bin nicht enttäuscht. Im Gegenteil, ich bin positiv überrascht worden.
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