Literaturpreis: Autorinnen mit Gütesiegel
„Gertraud Klemm gelang es in bislang fünf, in rascher Abfolge seit 2015 erschienen Romanen, Feminismus nicht nur zu propagieren, sondern auch literarisch erfolgreich umzusetzen. Renate Habinger ist seit nunmehr rund 40 Jahren als Illustratorin und Autorin eine Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Kinderbuchszene.“
So heißt es unter anderem von der Jury des diesjährigen Literaturpreises des Bundesministeriums für Kunst und Kultur. Gertraud Klemm und Renate Habinger sind die beiden niederösterreichischen Autorinnen, die sich in die Liste der Preisträgerinnen einreihen. Obwohl die Auszeichnungen aufgrund der Corona-Krise noch nicht vergeben werden konnten, ist die Freude groß.
Warum eigentlich, Gertraud Klemm
"Macht das Lebenswerk besser"
Klemm, die in Pfaffstätten (Bezirk Baden) lebt, wurde in der Kategorie „Outstanding Artist Award für Literatur“ geehrt. Für sie macht jede Kritik, die von außen kommt, das Lebenswerk objektiv besser: „Es ist wie ein Gütesiegel.“
Die Schriftstellerin streicht zudem besonders hervor, dass es der erste Preis ist, für den sie absolut nichts machen musste, sagt sie lachend. „Normalerweise reiche ich einen Text, ein Werk oder meine Unterlagen ein. Dieses Mal hat mich die Jury ausgewählt. Das ist ein wichtiger Unterschied.“
Kinderbücher
Habinger (Kategorie: Kunstpreis für Kinder- und Jugendliteratur ) freut sich vor allem über die Anerkennung der eigenen Arbeit: „Das ist sehr schön, wenn man da ausgewählt wird.“ Und die eigene Arbeit der Illustratorin könnte vielschichtiger nicht sein. Im Jahr 2008 startete sie in Oberndorf an der Melk (Bezirk Scheibbs) eine Sommerschule für Kinderbuchillustration. Auch für Kinder und Schulklassen habe sie immer mehr Programme angeboten, sodass daraus das Kinderbuchhaus entstanden ist. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein und um die zehn Leute, die da mitarbeiten. Neben den Büchern, die Habinger schreibt und illustriert, sei sie mittlerweile intensiv mit dem Ausbildungs- und Ausstellungsprogramm des Kinderbuchhauses beschäftigt.
"Aufwendig ist jedes Buch"
Daneben kommen die Bücher aber nicht zu kurz. „Ich arbeite für jedes Buch ein bisschen anders, damit mir nicht fad wird“, sagt Habinger. Für „Nicht schon wieder, stöhnt das Grubenpony und macht sich auf den Weg“ hat sie für die Bebilderung des Werkes etwa aufwendige kleine Installationen gebaut. „Aufwendig ist aber jedes Buch. Das unterschätzt man total“, sagt die Kreative.
Etwas „wilder“ geht es in den Romanen von Klemm zu. Die Frauenfiguren werden von der Autorin immer sehr stark angelegt. Im 2019 erschienenen Werk „Hippocampus“ stirbt eine feministische Autorin. Dieser Tod führt eine Alt-68erin – Elvira – und einen 28-Jährigen auf eine besondere Mission. Diese „Leidensgeschichten des Frauseins“ seien immer wieder Thema in Klemms Werken: „Aber Elvira ist die erste, bei der es mir gelungen ist, dass sie durchhält und das macht, was ich von ihr verlangt habe.“
Überrascht haben sie aber die positiven Reaktionen auf das Buch. „Ich habe mir erwartet, dass es skandalöser wahrgenommen wird. Ich habe mir viel herausgenommen und den Literaturbetrieb kritisiert“, sagt Klemm. Außerdem hat in der Geschichte eine ältere Frau eine Beziehung zu einem jüngeren Mann, was nach wie vor ein Tabu in der Gesellschaft sei. „In Wahrheit ist da auch nur die Misogynie der Gesellschaft dahinter. So untypische Liebesbeziehungen sind eigentlich sehr verbreitet, aber eben keine Liebesgeschichten, wie es die Gesellschaft gerne hätte“, so die Autorin.
„Hippocampus“ ist übrigens der lateinische Name für Seepferdchen. „Da sind es die Männchen, die Schwangerschaft und Geburt übernehmen, weil sie eine Bauchtasche dafür haben. Ich finde, das ist eine schöne Analogie: mit Bauchtasche geht’s plötzlich.“
Die Corona-Krise bedeutete für beide Autorinnen viel Umorganisation. „Aber die Ausstellung im Kinderbuchhaus hat wieder offen“, sagt Habinger.
Klemm hat bereits alle Termine in den Herbst verschoben. „Und Hippocampus kommt auf die Theaterbühne. Das freut mich besonders.“
Gertraud Klemm: Die Autorin lebt in Pfaffstätten, Bezirk Baden, und war nach dem Biologiestudium als Beamtin für die Trinkwasserkontrolle bei der Stadt Wien tätig. 2006 erschien ihr erster Roman „Höhlenfrauen“.
Renate Habinger: Die freischaffende Künstlerin studierte Grafik-Design und bietet seit 2008 Kurse für Kinderbuchillustration an. Die Autorin und Illustratorin eröffnete 2013 das Kinderbuchhaus, das Kinder zu Workshops und Lesungen einlädt.
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