Jetzt schwebt sogar das Damoklesschwert von Neuwahlen über der Marktgemeinde Lichtenwörth. Nachdem die SPÖ bei den Gemeinderatswahlen 2020 nach 75-jähriger Dominanz den Bürgermeistersessel an die ÖVP abgeben musste, ist intern Feuer am Dach.
Diese Woche ist es völlig überraschend zur Pulverisierung der Ortspartei gekommen. Nachdem am Montag, wie berichtet, Ortsparteichefin Helga Marquart und drei ihrer Gefolgsleute ihre Gemeinderatsmandate zurück gelegt haben, erfolgte am Dienstag mit Alexander Sauer der fünfte Rücktritt binnen 24 Stunden.
Von ursprünglich zehn SPÖ-Mandataren ist mit Newcomerin Corinna Kalusa nur noch eine einzige SPÖ-Vertreterin im Gemeinderat übrig. Sie ist erst seit 14 Tagen im Ortsparlament. Fünf Mandatare sind zurück getreten, drei frühere SPÖler sind nur mehr „wilde“ Abgeordnete und SPÖ-Urgestein Johann Prandl ist vor wenigen Tagen ins Lager der ÖVP gewechselt. Wenn es den Sozialdemokraten nicht gelingt, die fünf Mandate schleunigst nachzubesetzen, stehen in der Kommune Neuwahlen ins Haus. „Das wäre für die Gemeinde absolut schlimm. Wir haben riesige Projekte in der Pipeline, für die Beschlüsse notwendig sind. Es muss für die Gemeinde weitergearbeitet werden“, sagt ÖVP-Bürgermeister Manuel Zusag.
Aber wieso zerfleischt sich die SPÖ in Lichtenwörth gerade selbst? Der eingeschlagene „Kuschelkurs“ mit ÖVP-Bürgermeister Zusag und seinem bunten Regierungsteam soll gewissen Kräften innerhalb der Sozialdemokraten ein Dorn im Auge sein. Deshalb ist es vergangene Woche zu einer Aussprache mit Ortsparteichefin Helga Marquart gekommen – allerdings mit merkwürdiger Beteiligung. Die SPÖ-Bezirkschefin und Nationalrätin Petra Vorderwinkler hatte nämlich den Bürgermeister von Sollenau, Stefan Wöckl und die Bezirksfrauenvorsitzende Michaela Binder im Schlepptau.
Rute ins Fenster gestellt
Während Vorderwinkler von einem „angenehmen und sehr konstruktiven“ Gespräch berichtete, hat dies die Gegenseite anscheinend völlig anders erlebt. Obwohl er in der Bezirksorganisation kein Amt bekleidet, soll Wöckl der Lichtenwörther SPÖ mit einem sehr bestimmten Auftreten die Rute ins Fenster gestellt haben. Mit dem Kuschelkurs müsse es vorbei sein und die SPÖ endlich scharfe Oppositionspolitik betreiben, so der Tenor.
Das Ergebnis ist bekannt. Marquart und vier andere zogen die Konsequenzen und schmissen hin. Vorderwinkler wollte die Angelegenheit am Dienstag gegenüber dem KURIER nicht mehr kommentieren. Von SPÖ-Landesseite ist man über die Entwicklung im Bezirk wenig erfreut. Im Fall von Neuwahlen drohe der Partei ein Fiasko, so die Befürchtung. Dass nicht die Bezirksvorsitzende sondern anscheinend der Sollenauer Bürgermeister den Ton in der Causa angibt, scheint ebenfalls für einigen Diskussionsstoff zu sorgen.
Vorderwinkler muss nun rasch eine Ortsparteisitzung einberufen und Kandidaten für die Nachfolge im Gemeinderat finden. Eine Rückkehr des früheren Lichtenwörther SPÖ-Bürgermeisters Harald Richter im Gemeinderat ist ausgeschlossen. Er hat dafür einen taktischen Fehler begangen und einen Mandatsverzicht unterschrieben.
Intern traut man ihm aber zu, ein Comeback als SPÖ-Parteiobmann zu feiern. Wie Vorderwinkler noch am Montag meinte, sei er zumindest strafrechtlich völlig rehabilitiert. Er war im Zusammenhang mit Ungereimtheiten rund um die Vergabe und die Kostenexplosion beim Sportplatz-Neubau wegen Untreue unter Ausnützung einer Amtsstellung angeklagt und wurde rechtskräftig freigesprochen.
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