Es reiche nicht, dass einfach die Türen aufgemacht werden. Die Strategien müssten dementsprechend in der Kundenakquise, in der Kommunikation, in der Angebotsentwicklung überdacht werden. Man müsse bestehendes Publikum zurückholen und über neues Publikum nachdenken. „Wir müssen raus aus unseren Elfenbeintürmen. Kultur lebt von öffentlichen Mitteln, lebt von der Relevanz, von der Akzeptanz der Gesellschaft und der öffentlichen Hand. Wenn keine Leute kommen, verlieren wir letztlich unsere Legitimation, nach Fördermitteln zu schreien“, sagt Paul Gessl.
Gerade die öffentliche Hand hat momentan das Problem, dass die Covid-Krise ein großes Loch in die Budgets gerissen hat. Die Folge: Zur Sanierung des Haushalts muss auch gespart werden, was letztlich auch die Kultur treffen wird. Für Paul Gessl ist klar, dass auch die Kulturbetriebe – in der NÖKU sind rund 35 vereinigt – ihren Beitrag leisten müssen. Aber das Landesbudget über die Kultur zu sanieren, das werde nicht gehen. Gessl: „Hat die Kultur einen Beitrag zu leisen? Ja, selbstverständlich. Aber eine Sanierung ist nicht mit der Kürzung von Kulturbudgets möglich.“ Die NÖKU erhalte für den Betrieb der vielen Kulturinstitutionen in Niederösterreich nicht einmal 0,5 Prozent des Landesbudgets.
Paul Gessl hat auch während der Lockdowns viel mit Künstlerinnen und Künstlern zu tun gehabt, vor allem mit deren Problemen. Er unterscheidet zwischen institutionalisierten Kulturbetrieben und freischaffenden Künstlern. Gessl: „Ich kenne keine einzige Kulturinstitution in Österreich, die bei den Corona-Förderungen nicht zum Zug gekommen ist.“ Da habe die öffentliche Hand dafür gesorgt, dass man solide überleben konnte. Mehr Sorgen macht er sich um Kulturschaffende, die ganz auf sich allein gestellt waren.
„Dramatischer ist die Situation bei den Einzelkünstlern oder künstlerischen Aktivitäten. Die sind von 100 auf 0 runtergefallen. Die leben als Unternehmer von dem, was sie täglich, stündlich und minütlich zu verdienen haben, was sie auf der Bühne präsentieren“, sagt Gessl.
Da werde es auch nicht ausbleiben, dass manche die Profession wechseln. Gessl: „Da wird passieren, was auch im Tourismus passiert ist. Manche werden ihr Berufsbild hinterfragen. Kann ich von dem noch leben? Will ich weiter in dieser Instabilität leben? Da kann es schon sein, dass manche ihre Berufung infrage stellen“, sagt Gessl.
In Niederösterreich ist der Geschäftsführer der NÖKU heuer mit neuen, zusätzlichen Aufgaben betraut. So fallen nach dem Abschied des Ehepaars Loidolt nun auch die Festspiele Reichenau in seinen Aufgabenbereich. Mit der Burgschauspielerin Maria Happel hat er bereits eine prominente Intendantin engagiert, jetzt wird noch die Geschäftsführung bestellt. In Wiener Neustadt übernimmt die NÖKU nun auch das Stadttheater.
Wegen dieser Größe der NÖKU wird Paul Gessl manchmal auch als mächtigster Kulturmanager Österreichs bezeichnet. Er sieht das nicht so. „Es geht nicht um Größe, es geht nicht um Macht. Es geht darum, den Rahmen für kreatives, innovatives Arbeiten zu schaffen. Wachstum war nie Teil unserer Unternehmensstrategie. Mein Ziel ist es, dass wir als innovativer, spannender Kulturbetrieb genannt werden, der vieles ermöglicht, der die Künstlerinnen und Künstler unterstützt, der perfekt Service und Dienstleistung dem Kunden, den Besuchern, bietet“, sagt Gessl.
Kommentare