Der rätselhafte Tod eines inhaftierten Boxers
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Er war erst 38 Jahre alt, war ein 100 Kilogramm schweres Muskelpaket, trainierte und war einst Profi-Boxer, sogar österreichischer Staatsmeister. Dennoch starb Ali C., Häftling in der Justizanstalt Stein, ohne ersichtlichen Grund am Dienstag den 6. April. Wärter hatten in reglos in seiner Zelle gefunden, im Klinikum Krems konnte man nur noch wenig für ihn tun.
Schock und Trauer sitzen tief in seiner tschetschenischen Familie. Verwandte und Bekannte des toten Häftlings kamen am Dienstag, eine Woche nach dem Tod, in einer kleinen Gemeindebauwohnung in Wien-Brigittenau zusammen. Den plötzlichen Tod des ehemaligen Profi-Boxers kann sich hier niemand erklären.
„Es tut mir leid, ihr Sohn ist tot“, habe eine Sozialarbeiterin den Eltern von Ali am Telefon mitgeteilt. Mehr Infos zur Todesursache hätten sie bis jetzt noch nicht erhalten.
„Ich habe zwei Tage vor dem Tod noch mit ihm telefoniert“, sagt Zeudi C., der Vater des Toten. Da habe sein Sohn gesund geklungen. Er habe auch gesagt, dass er in ein paar Tagen nochmals anrufen wolle. Das sei aber nicht mehr passiert.
Obduktion angeordnet
Seit 2016 verbüßte Ali C. in Stein eine Haftstrafe wegen diverser Eigentumsdelikte. Am 6. April gegen 7 Uhr fanden ihn Beamte der Justizwache in seiner Zelle. Weil der 38-Jährige nicht ansprechbar war, setzte man Erste-Hilfe-Maßnahmen, heißt es aus dem Justizministerium. Der Notarzt hat den Häftling in das Klinikum Krems gebracht, wo er schließlich im Laufe des Vormittags gestorben ist.
Nachts war Ali C. in einer Einzelzelle untergebracht. Auf Wunsch des Häftlings, wie man in der Justizanstalt betont, deswegen habe vorher keiner etwas mitbekommen.
Die Todesursache ist aber auch für die Justiz noch unklar: Man habe jedenfalls – wie nach dem Tod von Häftlingen üblich – eine Obduktion angeordnet. Das Ergebnis ist noch ausständig, Fremdverschulden könne bisher ausgeschlossen werden.
Bis das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens, bei dem das Blut des Toten auf Gift oder Drogen untersucht wird, vorliegt, könne es noch Wochen dauern. Auch die Justizanstalt bestätigt, dass Ali C. keine Vorerkrankungen hatte, auch auf Corona sei er mehrmals negativ getestet worden. „Alles Weitere ist derzeit reine Spekulation“, betont ein Sprecher.
Die Familie zweifelt
„Ich will, dass das alles lückenlos und unabhängig aufgeklärt wird“, sagt Zeudi C. Er vertraut den Untersuchungen der Justiz nicht recht. Auch weil sein Sohn über Diskriminierung und schlechte Behandlung in der Haft geklagt haben soll. Am Freitag soll in Wien sogar eine Demonstration stattfinden, um auf den Todesfall aufmerksam zu machen.
In dem Demo-Aufruf ist von einer „Beruhigungsspritze“ zu lesen, die Ali C. im Gefängnis vor seinem Tod bekommen haben soll. Vom Justizministerium heißt es dazu allerdings, dass Ali C. keinerlei Medikation erhalten habe. Zeudi C. sagt, dass der jüngere Bruder von Ali ebenfalls in Stein eingesessen habe. Dort habe dieser nach einem Zusammenbruch eine solche Spritze bekommen. Der jüngere Bruder wurde mittlerweile verlegt.
„Nun habe ich aber Angst, dass auch Ali eine Spritze bekommen hat“, sagt der Vater. Wenn sich das aber als falsch herausstelle, sei er bereit, die Vorwürfe zurückzunehmen. Der Anwalt der Familie, Wolf-Georg Schärf, betont, dass man erst alle Infos abwarten wolle, um dann rechtliche Schritte zu prüfen.
Ali C. hätte die Justizanstalt jedenfalls Anfang Mai verlassen dürfen. Dann hätte ihm aber die Abschiebung nach Tschetschenien gedroht. Ein fremdenrechtliches Verfahren wurde eingeleitet.
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