Klaus Schwertner: Der Influencer im Match Gut gegen Böse
Im Frühling ist Ihr erstes Buch „Gut, Mensch zu sein“ erschienen. Haben Sie sich gedacht, dass Sie einmal ein Shootingstar werden, als Sie den Job in der Geschäftsführung der Caritas angenommen haben?
Klaus Schwertner: Ich bekomme, speziell seit ich das Buch geschrieben habe, Zuschreibungen wie Sinnfluencer und Influencer. Shootingstar ist neu. Ich würde mich selbst nicht als so etwas bezeichnen, ich nehme das aber natürlich zur Kenntnis. Es ist wohl wegen meiner starken Social-Media-Aktivitäten, ich bin eines der Gesichter und der Stimmen der Caritas. Ich kann eine große Community erreichen. Aber nein, das habe ich nicht gedacht, als ich 2013 gefragt wurde, ob ich Generalsekretär werden möchte. Ich hatte größten Respekt vor der Aufgabe und mir eine Woche Bedenkzeit erbeten, bevor ich angenommen habe.
Hatten Sie Zweifel?
Ich wollte immer Kinderarzt werden und dem Traum bin ich nachgelaufen oder eigentlich habe ich mich darin ein wenig verrannt. Bevor ich zur Caritas gekommen bin, habe ich schon immer wieder damit gehadert, dass ich das Medizinstudium nicht fertiggemacht habe. Aber ich habe auch gelernt, dass es manchmal Umwege sind, die einen dort hinbringen, wo man hinmuss. Solange man diese Umwege geht, kann man das noch nicht erkennen. Ich habe das Gefühl, dass ich genau hierher musste, zu meiner Aufgabe bei der Caritas. Ich kann mich mit meinen Stärken und Talenten gut einbringen, ich kann – gemeinsam mit vielen anderen – einen Beitrag leisten und das ist etwas, was mir bis heute total taugt. Das ist für mich wirklich unglaublich bereichernd und ich sage das nicht nur so dahin: Das ist die schönste Aufgabe der Welt.
Sie haben in der Zeit aber auch schwere Momente erlebt, auch jene, die Sie durch Shitstorms und Medien erfahren haben. Ist es das wert?
Als Caritas-Verantwortlicher komme ich ständig an Orte, wo es viel Not gibt, aber auch an Orte, wo es ganz viel Zuversicht und Hoffnung gibt und ich glaube, das wird gerne übersehen. Es gibt vieles, das gelingt, aber ich bin nicht naiv und sehe, dass manche Dinge und Fragestellungen an Grenzen stoßen, das ist manchmal auch hart zu akzeptieren. Gerade weil ich jemand bin, der gerne Dinge vorantreibt, an Grenzen gehe und dadurch auch polarisiere. Ich bin jemand, der mit dem Kopf durch die Wand will. Nach dem Lifeball 2015 brach ein großer Shitstorm über mich herein. (Schwertner kam als Flüchtling verkleidet, Anm.) Ich habe relativ schnell gesehen, dass es sinnlos ist, selbst Stellung zu beziehen, und dann muss man das Handy einmal ausgeschaltet lassen. Aber 95 Prozent und mehr der Rückmeldungen sind positiver Art – auch über Social Media. Die Menschen fragen nicht, ob sie helfen können, sondern wo. Viele wollen erste Schritte setzen und die fallen oft am schwersten, auch mir.
Spenden
Die Caritas Haussammlung ist die größte Caritas-Spendensammlung in Niederösterreich. Der Startschuss dafür fiel am 1. Juni.
Verwendung
Die Spenden fließen direkt an Menschen in Not in NÖ. Rund 15.000 Personen können von der Haussammlung profitieren.
4.500 Personen
sind als Haussammlerinnen und Haussammler unterwegs und gehen bis 15. Juli von Tür zu Tür
580.000 Euro
brachte die Caritas Haussammlung im Vorjahr ein, 2019 war es 1 Million Euro.
Alternativmöglichkeit
Auch ein Spendenkonto wurde eingerichtet:
Erste Bank
BIC: GIBAATWWXXX
IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560
Kennwort: Niederösterreich hilft
Sie schreiben im Buch auch über Ihre Schwächen, war das schwierig?
Das Buch zu schreiben, war ein Herzensanliegen von mir, das ich schon lange mit mir herumtrage. Während des ersten Lockdowns habe ich gedacht: Jetzt ist vielleicht genau der richtige Zeitpunkt dafür. In einer Zeit der großen Hoffnungslosigkeit und der großen Gereiztheit wollte ich damit einen Beitrag leisten als Rezept gegen die Hoffnungslosigkeit. Es sollte durchaus selbstkritisch werden, wo ich auch Ereignisse in der Vergangenheit reflektiere und damit auch zeigen, dass nie alles nur schwarz oder weiß ist, gut oder böse, sondern dass wir das alles in uns tragen, das Gute und das Böse und dass wir uns jeden Tag entscheiden können, was wir in uns stärken wollen. Es hat sich angefühlt, als würd ich Tagebuch schreiben. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie viel man von sich preisgeben möchte, wie viel Verletzlichkeit man zeigt. Aber genau auf die Passagen, wo ich selbstkritisch bin und die eigene Verletzlichkeit zeige, habe ich die meisten Rückmeldungen bekommen, weil das Menschen offenbar auch Mut macht.
Und wo braucht es jetzt Mut als solidarische Gesellschaft?
Ich kann das Gerede von der Krise als Chance nicht mehr hören. Aber gleichzeitig hat uns die Krise wie durch ein Brennglas einige Dinge vor Augen geführt, die in unserer Gesellschaft wichtig sind – etwa ein funktionierender Sozialstaat, der Menschen davor schützt, wirklich in bittere Armut abzustürzen. Die Krise hat aufgezeigt, wie schnell es gehen kann, dass jemand der zuerst Helferin oder Helfer war, selbst Hilfe benötigt – auch in Niederösterreich. Hier setzen wir jetzt mit einer großen Haussammlung für Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher in Not an. Wir müssen alles unternehmen, damit die Kluft zwischen arm und reich nicht größer wird, das hier entsprechend konsequent reagiert wird.
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