Jungbauernkalender: Mister April mit Handicap
Alle Jahre wieder sorgt der Jungbauernkalender der Österreichischen Jungbauernschaft für Gesprächsstoff. Daran wird sich auch bei der Edition 2023 nichts ändern. In gewohnter Manier werden dort Jungbäuerinnen und Jungbauern (oder Personen mit landwirtschaftlicher Ausbildung, oder welche, die mit einem Landwirt bzw. einer Landwirtin liiert sind) freizügig und sexy im landwirtschaftlichen Kontext in Szene gesetzt.
Wer 2023 durch den Kalender mit den Männerfotos blättert, wird dennoch Unerwartetes entdecken: Mister April mit Armprothese.
Mister April heißt Lukas Speneder. Der 28-Jährige ist Landwirt im nö. Altpölla. Er bewirtschaftet den Hof in fünfter Generation. Auf den Feldern baut er Getreide und Sonderkulturen wie Mohn und Leinsamen an.
Das macht er mit links – er wurde ohne rechten Arm geboren. „Ich habe eine Prothese, aber seit ich klein bin, arbeite ich in der Landwirtschaft mit und trage sie da nur sehr selten“, erzählt Speneder. Sobald er von der Schule zu Hause gewesen sei, habe er sie abgelegt. „Ich war immer schon geschickt und habe einen Weg gefunden“, so der Waldviertler.
Hände reichen
Mittlerweile hilft ihm seine moderne Prothese aber sehr in seinem Alltag – zum Beispiel wenn er beim Gasthaus der Familie im Service arbeitet. Nicht der Gäste wegen – „mir ist grundsätzlich egal, was sie denken“ –, sondern weil er damit mehr Teller tragen kann. Und auch Hände schütteln. Das tut er mit Selbstverständlichkeit.
„Da gibt es dann unterschiedliche Reaktionen. Manchen fällt es gar nicht auf, manche erschrecken und manche schauen nur“, schildert er seine Erfahrungen, wenn er die optisch einer Hand nachempfundene Prothese trägt.
Sie reichte er auch den Jurymitgliedern beim Casting für den Jungbauernkalender in der Steiermark. „Bei der Bewerbung habe ich mein Handicap nicht erwähnt, ich wollte nicht aus Mitleid genommen werden“, betont er.
„Mir ist das erst aufgefallen, als er mir die Hand gegeben hat“, sagt Alexander Macek, Teil des Kalenderteams. Einen Unterschied habe es dann aber für die Wahl nicht gemacht. „Er geht sehr offen damit um“, so der Landesgeschäftsführer der steirischen Jungbauern Macek.
„Bei der Bewerbung habe ich mein Handicap nicht erwähnt, ich wollte nicht aus Mitleid genommen werden.“
Wahrnehmung
Etwas, das Speneder bei vielen anderen mit Handicap vermisst und auch bedauert. Beim Jungbauernkalender hat er auch deshalb mitgemacht, weil „ich Menschen mit Handicap motivieren möchte, aus sich herauszugehen und sich nicht hinter ihrer Behinderung zu verstecken“. Es gebe viele Menschen, die auch eine Behinderung haben, sich aber nicht fotografieren lassen möchten: etwa, weil sie sich nicht trauen und sich eingeschränkt fühlen. „Aber genau das finde ich nicht. Man kann alles schaffen“, ist der 28-Jährige überzeugt.
Er hofft, dass sich andere angespornt fühlen, wenn sie ihn mit seiner Prothese in Pose sehen. Den Jungbauernkalender sieht er daher als gute Möglichkeit, um viele Menschen und auch eine Veränderung zu erreichen: nämlich eine Veränderung in der (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen mit Handicap.
Seit 2001 gibt es den Jungbauernkalender von der Österreichischen Jungbauernschaft. Die Idee dahinter war „ein künstlerisches Kalendarium mit allen wichtigen agrarischen Terminen mit attraktiven Jungbäuerinnen zu hinterlegen, um die Land- und Forstwirtschaft reizvoll darzustellen“, wie es auf der Homepage heißt. Weil es nach der ersten Auflage Kritik gab – damals gab es nur einen Kalender mit freizügigen Fotos von Frauen – wurde bereits 2002 zusätzlich eine Edition mit Männern herausgegeben. Jedes Jahr wird die Neuauflage des Kalenders bei dem Jungbäuerinnen und Bauern sexy in Szene gesetzt werden von kritischen Stimmen begleitet.
Dennoch wird es ihn wohl weiterhin geben. In einem NÖN-Interview äußerte sich der neue Österreichische Bauernbunddirektor David Süß aus Schrems zum „Produkt, das mit Augenzwinkern gemacht wird“ wie folgt: „...das Produkt kommt bei den Leuten an. Die Marke ,Jungbauernkalender’ ist Kult. Wenn’s so nachgefragt wird: Wieso nicht?“
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