Inferno im Raxgebiet: Feuer versetzte die Natur ins Steinzeitalter
Der Mittagstein hoch über Reichenau an der Rax gleicht einer bizarren Filmkulisse. Tausende verkohlte Baumstämme, bröckelnde Rinde, dazwischen nur ab und an ein Grasbüschel. "Da sieht man, was ein kleines Lagerfeuer anrichten kann“.
Peter Lepkowicz ist im wahrsten Sinne des Wortes ein gebranntes Kind. Als oberster Hüter des 33.000 Hektar großen Quellschutzwaldes der Stadt Wien im Rax-Schneeberggebiet und Hochschwabmassiv musste er im Oktober 2021 mit ansehen, wie ein Feuer in nur 13 Tagen das zerstörte, wofür die Natur mehrere hundert Jahre lang gebraucht hat.
Was die Flammen damals verschonten, stirbt nun langsam an den Folgeerscheinungen wie der enormen Hitzeentwicklung, der massiven Trockenheit etc.
Wertvolles Trinkwasser für Wien
"Wir haben im ersten Jahr nach dem Waldbrand eine Bestandsaufnahme im betroffenen Gebiet gemacht. Dabei haben wir bemerkt, dass etwa 15 Prozent der zuvor noch vitalen Bäume abgestorben sind“, sagt Lepkowicz. Ein Jahr später waren es schon 30 Prozent und auch heuer setzt sich dieser Trend weiter fort.
Besonders stark merke man dieses Phänomen bei Buchen. "Sie brechen in der Mitte ab“, erklärt der Leiter der Forstverwaltung Quellschutz der Stadt Wien. Aus seinem "Revier“ bezieht die Bundeshauptstadt ihr wertvolles Trinkwasser. Deshalb habe der Quellschutz oberste Priorität.
Während vor über 200 Jahren die Wälder zwischen Rax und Schneeberg großflächig zur Brennholzgewinnung genutzt wurden, dient der Mittagstein heute als reiner Schutzwald "ohne Ertrag“, so Lepkowicz.
Bis er diese Funktion nach dem verheerenden Feuer auf 100 Hektar Fläche aber wieder erfüllen kann, werden mehrere Jahrzehnte vergehen. Außerdem muss massiv nachgeholfen werden. Bis heute haben die Mitarbeiter der Forstverwaltung in schweißtreibender Handarbeit 10.000 neue Bäume, Pflanzen und Sträucher im betroffenen Gebiet gesetzt.
Über 1.000 Bäume die teils bis zur Krone hinauf verkohlt und abgestorben waren, habe man geschlagen und im Gelände quergelegt. "Eine weitere Bodenerosion wird dadurch verhindert“, sagt Lepkowicz. Außerdem dient das Schadholz als Feuchtigkeitsspender.
Klimawandel hat Auwirkungen auf den Wald
Dort, wo Bodenfeuer vor allem den jungen Bewuchs vernichtete, wurde händisch Saatgut – spezielle Grassamenmischungen – ausgetragen. Pferde halfen dabei, das Material in die steilen und entlegenen Gebiete zu bringen. Der Erfolg ist durch frischen, grünen Bewuchs bereits deutlich sichtbar.
Um den künftigen Quellschutzwald fit für den Klimawandel zu machen, setzt man bei der Aufforstung auf wärmeliebende und hitzeresistente Baumarten, in erster Linie Laubholz.
Wanderer haben nichts gelernt
Der gesamte Mittagstein gilt seit der Katastrophe immer noch als Forstliches Sperrgebiet, Wandern ist untersagt. Wer glaubt, dass die schlimmen Bilder des verheerenden Waldbrandes mit 14 verletzten Einsatzkräften den vielen Wanderern in der Region die Augen geöffnet haben, der irrt.
Lepkowicz weiß von einer besonderen Anekdote zu berichten. Auf dem Rückweg von einer länderübergreifenden Waldbrandübung im Vorjahr sei ihm bei der Autofahrt durch das Höllental plötzlich Brandgeruch in die Nase gestiegen.
Geldstrafe
Er hielt sein Auto an. Genau vor einem Hinweisschild "Feuer anzünden verboten“ parkte ein Auto. Unweit davon kochte eine Gruppe Kletterer im Wald am offenen Feuer Kaffee. "Da ist man fast sprachlos. Zu der Zeit herrschte extreme Trockenheit und starker Wind. Also alle Zutaten, für den nächsten Waldbrand“, meint der Forstverwalter.
Pardon kennte er deshalb auch keines. Die Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wurde mit einer Geldstrafe für die Zündler geahndet.
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