Es sind aktuell nicht bloß fünf, sechs oder ein paar Dutzend Anzeigen wegen ähnlicher Drohgebärden von Impfgegnern und Coronaleugnern aktenkundig. Österreichweit seien es vermutlich mehrere Hundert. „Das hat größere Ausmaße angenommen, als man vermuten möchte“, sagt der Leiter des nö. Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Roland Scherscher. Betroffen seien meist Personen, die in der Öffentlichkeit oder in sozialen Medien als Impfbefürworter auftreten. Aber der Hass richtet sich laut Scherscher nicht nur gegen Virologen, Politiker oder Vertreter des Impfgremiums. „Im Visier ist auch das medizinische Personal in Spitälern, Bezirkshauptleute oder Mitarbeiter von Gesundheitsämtern“, erklärt Scherscher. Alle, die Stimmung für die Corona-Impfung machen, seien das Ziel.
Kopf abschneiden
Der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch war eine der ersten Personen, der wegen seiner Auftritte in Bezug auf die Corona-Pandemie eine Morddrohung erhalten und diese auch öffentlich gemacht hatte. Er fand in seiner Post eine Collage, verbunden mit der Drohung, dass ihm der Kopf abgeschnitten werde.
Anzeigen sind derart häufig, dass sich der Verfassungsschutz nur um jene Fälle kümmern kann, bei denen eine radikale Gruppierung hinter den Drohungen vermutet wird. Der Rest wird von Polizeidienststellen oder Kriminalbeamten bearbeitet. Laut Scherscher gehe es in den meisten Fällen um Strafrechtsdelikte, wie gefährliche Drohung, Verhetzung und manchmal auch um Verstöße nach dem Verbotsgesetz. Und zwar dann, wenn der Holocaust verharmlost wird oder Impfbefürworter mit dem NS-Regime gleichgestellt werden, heißt es von den Ermittlern.
Im Fall von Verurteilungen kann es zu empfindlichen Strafen kommen. Auf gefährliche Drohung steht beispielsweise bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße bis zu 720 Tagsätzen. Bei einem Nettoeinkommen von 1.500 Euro/Monat beträgt ein Tagsatz rund 13 Euro. 100 Tagsätze wären demnach 1.300 Euro, 500 Tagsätze schon 6.500 Euro Geldstrafe. Die exakte Höhe liegt im Ermessen des jeweiligen Richters. Noch härtere Strafen drohen bei Verhetzung.
Ein besonders schwer wiegender Fall von Verfolgung durch Gegner der Corona-Maßnahmen ist im steirischen Gleisdorf bekannt geworden. Im Zuge von Demos und Fackelwanderungen von fast 2.000 Teilnehmern wurde mehrmals das Privathaus des ÖVP-Bürgermeisters und Nationalratsabgeordneten Christoph Stark heimgesucht. Die Demonstranten hätten gebrüllt „Holt ihn raus“, sagte der Politiker am Mittwoch. Vor seinem Wohnsitz wurden Grabkerzen abgestellt und Zettel mit der Aufschrift „Leb wohl“ dazugelegt.
Grenze überschritten
Für Stark ist damit eine Grenze überschritten, sagte er zur APA, "vor allem wenn es die Familie, also meine Frau betrifft". Das Vorgehen der Demonstranten sei eine "Frechheit", er stehe zu seinen Grundsätzen und seinen Worten. Den Vorwurf der Korruption lasse er nicht gelten. Auf Facebook schrieb er: "Werter Absender oder Absenderin: Wenn Sie Ihre Meinung schon kundtun wollen und mich öffentlich der Korruption bezichtigen, dann zeigen Sie doch die Minimal-Courage, kommen zu mir ins Rathaus und sagen Sie mir das persönlich ins Gesicht! Am besten noch mit ein paar handfesten Beweisen - wobei ich mir dann womöglich die Freiheit nehmen würde, auch den Rechtsstaat in Anspruch zu nehmen".
Er hatte überlegt, den Zettel einfach wegzuschmeißen, doch "diese Pandemie betrifft alle Menschen, aber eine kleine Gruppe der Lauten überstimmt derzeit eine große Gruppe, die die Maßnahmen mittragen", sagte er. Von jenen, die die Botschaften bei ihm und seiner Frau hinterlassen haben, habe sich bisher noch keiner direkt bei ihm gemeldet oder gar entschuldigt. Die Sache anzeigen sei seiner Ansicht nach zwecklos. Er wisse, dass viele der Demonstranten gar nicht aus Gleisdorf seien, sondern teils aus anderen Bezirken kommen - Stichwort "Demonstrationstourismus".
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