Hollabrunn: Risse in Gebäuden lassen Kritik an Wohnbaupolitik laut werden
In den vergangenen beiden Wochen ist in der Hollabrunner Sparkassegasse kein Stein auf dem anderen geblieben. Bettys Eiscafé und das Restaurant „Bella Italia“ wurden von der Bezirkshauptmannschaft zwei Tage lang gesperrt (der KURIER berichtete). „Aufgrund von Gefahr in Verzug für Leib und Leben“, wie auf Anschlägen an den Eingangstüren der Lokale in der Fußgängerzone zu lesen war.
Denn es taten sich immer tiefere Risse in dem Gebäude 5-7 auf. Die Gemeinde wurde informiert, sah aber keinen Grund für eine Sperre. Die Lokalbesitzer alarmierten schließlich selbst die Bezirkshauptmannschaft.
Nach zwei Tagen wurden die Betretungsverbote wieder aufgehoben. Für das „Bella Italia“ spielte das aber keine Rolle mehr; das Restaurant ist nach den Vorkommnissen Geschichte, es wird nicht mehr eröffnen. Auch das Zahntechniklabor, das in dem Haus untergebracht war, hat kurz entschlossen den Standort verlassen.
Was bleibt, ist eine tiefe Baugrube auf der Rückseite der Gebäude, die die Risse in den Gemäuern erst verursacht hat. Dort entsteht mit der „Living City“ ein großvolumiger Wohnbau mit 109 Mietwohnungen, Geschäftslokalen und Büroflächen, was für mehr Frequenz in der Fußgängerzone sorgen soll.
Umstrittenes Vorhaben
Ein Projekt, das von Anfang an auf viel Kritik gestoßen ist - bei der Politik ebenso wie bei den Anrainern, die Einspruch erhoben. Und tatsächlich ist das Vorhaben enorm; gebaut wird im historischen Bestand der Stadt. Große Mengen an Grundwasser mussten abgepumpt werden, um den Bauplatz überhaupt erst tauglich zu machen.
Nach den jüngsten Geschehnissen will die Opposition – also SPÖ, FPÖ, Grüne und Liste Scharinger – Klarheit: In einem Schreiben an die absolut regierende ÖVP forderte sie einen Runden Tisch ein, der nächste Woche stattfinden soll. Außerdem wurden 17 Fragen zu dem Bauprojekt formuliert.
"Ende der Woche wird es ein Treffen mit allen Anrainern, den Bauverantwortlichen und der Bezirkshauptmannschaft geben", so ÖVP-Bürgermeister Alfred Babinsky, der den Bauträger in die Pflicht nehmen möchte. Den geforderten Runden Tisch wird es nächste Woche geben. "Mir ist es wichtig, zuerst mit den Betroffenen zu reden und ihnen die Sorge zu nehmen", betont der Stadtchef. Jedenfalls seien Stabilisierungsmaßnahmen an den betroffenen Gebäuden vorgenommen worden, und es hätte keine weiteren Schäden gegeben.
Wobei die „Living City“ nicht das einzige Projekt ist, das in Hollabrunn kritisch gesehen wird. In den letzten Jahren sind eine Reihe von Wohnbauten entstanden, allerdings ohne einem entsprechenden Stadtentwicklungs-Konzept, wie Bürger gegenüber dem KURIER kritisieren. Und basierend auf Baurichtlinien, die bis in die 70er-Jahre zurückreichen. Wobei Wohnungsmieter bzw. -käufer scheinbar weniger Interesse an Hollabrunn zeigen als Wohnbauträger; laut Bewohners stehen viele Wohnungen in den neuen Wohnbauten leer.
„Auf willhaben sind jedenfalls noch viele Wohnungen frei“, kommentiert Georg Ecker, Landtagsabgeordneter und Gemeinderat der Grünen, die Gerüchte. Laut Zahlen der Statistik Austria wurden in Hollabrunn 2021 weitaus mehr Neuerrichtungen von Wohnungen bewilligt als im restlichen Speckgürtel – und auch deutlich mehr als in der Landeshauptstadt St. Pölten. Ob das in Relation zum Zuzug in die Stadt stehe? „Ich kann es mir nicht vorstellen“, sagt Ecker.
Umso mehr verwundert es ihn, dass den Bauwerbern seitens der Gemeinde nur wenig entgegengesetzt werde - sogar im Gegenteil. „Das hört man auch in der Branche“, argumentiert der Gemeinderat. Daher wurde im Sommer des Vorjahres ein Baustopp für größere Wohnbauten in der Altstadt und der Gartenstadt durchgesetzt. Dieser gilt so lange, bis es neue Bebauungsrichtlinien gibt.
ÖVP: "Der Weg stimmt"
Vorwürfe, die sich Babinsky nicht gefallen lassen will. Das Verhältnis Wohnbau und Zuzug stimme. "Hollabrunn wächst zum Glück kontinuierlich. Und es geht auch darum, jenen, die bleiben wollen, Wohnraum zu Verfügung zu stellen", argumentiert er. Leer stehende Wohnungen seien für die Gemeinde kein Problem, sie würden vor allem private Anbieter betreffen. Immerhin spiele dabei die finanzielle Lage der Wohnungssuchenden eine entscheidende Rolle.
An einem Konzept für die Stadtentwicklung werde gearbeitet, man sei bereits in der Finalisierung. Und wer in Hollabrunn bauen will, der müsse selbstverständlich sämtliche Auflagen erfüllen, worauf die Gemeinde ein strenges Auge habe. "Ich bin davon überzeugt, dass unser Weg der Innenstadtverdichtung der Richtige ist", sagt Babinsky. Was im Übrigen auch für die "Living City" gelte; das Grundstück sei lange leer gestanden. Mit dem Projekt werde endlich mehr Leben in der Sparkassegasse einkehren.
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