Histaminintoleranz: Weingenuss ohne Nebenwirkungen

Christian und Thomas Weiss experimentieren seit Jahren an der histaminfreien Erzeugung ihres Weins
Neue Technologien sollen Weine für Menschen mit Unverträglichkeiten unbedenklich machen

Rote Backen, Atemnot, Herzrasen, Übelkeit oder rasende Kopfschmerzen: Wer nach dem Genuss eines Glas Weins an einer der unangenehmen Symptome leidet, ist vermutlich einer von fast 200.000 Österreichern mit einer Histaminintoleranz. Viele von ihnen wissen gar nicht, wieso sie nach dem Bier oder einem Schluck Rotwein solche Nebenerscheinungen haben.

„Für Personen mit Histaminintoleranz wäre das Wissen um den Gehalt von Histaminwerten in Nahrungsmitteln sicher von großem Interesse“, erklärt Klaus Kubesch vom Pharmalabor „pharm-analyt“ im niederösterreichischen Baden. Das auf Arzneimittelanalytik spezialisierte Labor hat sich dem Thema angenommen und nach einiger Forschung eine Methodik entwickelt, um den Histamingehalt selbst in niedrigsten Konzentrationen in Wein, Bier oder Essig nachweisen zu können. Selbst eine Menge von 5 Mikrogramm pro Liter (das entspricht fünf Gramm in einem Swimmingpool mit 1000 Kubikmeter Wasser, Anm.) kann verlässlich gemessen werden, erklärt Kubesch.

Pionierarbeit

Deshalb bietet das Labor nun die neue Messmethode für alle interessierten Brauereien, Winzer, Weinbauschulen oder andere Produzenten an. Derzeit hat das Labor Proben von einem der Vorreiter für histaminfreie Weinerzeugung zur exakten Bestimmung in Arbeit. Christian Weiss vom gleichnamigen Weingut in Gols im Burgenland gilt als Pionier auf dem Gebiet.

Seit gut acht Jahren laboriert er daran, die edlen Tropfen aus seinen Weingärten histaminfrei anzubieten. Mittlerweile gilt das für das gesamte Sortiment des Winzers. „Wir waren viel auf Messen und laufend haben mir die Leute gesagt, sie dürfen keinen Wein trinken, weil es ihnen der Arzt verboten hat. Als dann bei mir eine Laktoseintoleranz festgestellt wurde, habe ich begonnen intensiv über das Thema nachzudenken“, erklärt Weiss.

Das gesetzte Ziel war, das Histamin im Wein bei der Produktion erst gar nicht entstehen zu lassen. Anfänglich wurden die Weinproben im Floridsdorfer Allergiezentrum beim Entdecker der Histaminintoleranz, Professor Reinhart Jarisch, getestet. „Im ersten Jahr hatten wir nur einen Wein mit geringem Histaminrestwert im Programm. Mittlerweile haben all unsere Weine weniger als 0,1 mg pro Liter“, sagt Weiss. Zum Vergleich: Bei einer Versuchsreihe mit 100 österreichischen Rotweinen lag der durchschnittliche Histaminwert bei 8 mg/Liter, der Höchste bei immerhin 27 mg/Liter.

Spießrutenlauf

Als der histaminreduzierte Wein gekeltert, abgefüllt und frisch etikettiert war, setzte es einen herben Dämpfer der Bürokratie. „Durch eine neue Rechtsverordnung durften die Weine ab 2015 nicht mehr als histaminfrei, histaminarm oder gar mit unserer alten Marke histafree gekennzeichnet sein, da es sich um eine unzulängliche gesundheitliche Angabe handelt“, schildert Weiss. Weil die Aufregung darum so groß war, hat der Winzer die Bezeichnung „hysteriefree“ kreiert. Geworben darf damit allerdings nur auf der Homepage oder den Preislisten werden, auf keinem Fall auf der Flasche selbst.

Christian Weiss ist mit seinem Unterfangen mittlerweile in bester Gesellschaft. Eine Reihe namhafter Winzer ist ebenfalls auf den Zug aufgesprungen und setzt bei der Herstellung der edlen Tropfen nicht nur auf Bioqualität, sondern auch auf histaminarme Reifung.

Histaminintoleranz: Finger weg von reifem Käse, Erdbeeren und Alkohol

Histaminintoleranz (HIT) ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, von der in Österreich etwa zwei Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Der überwiegende Teil sind Frauen. Da die Symptome höchst unterschiedlich sind, kann die Unverträglichkeit über einen Bluttest beim Arzt oder in Allergiezentren festgestellt werden.


Histamin entsteht vor allem in eiweißreichen Nahrungsmitteln aus der Aminosäure Histidin unter Einwirkung von Mikroorganismen. Besonders hoch kann der Gehalt bei der bakteriellen Reifung von Käse werden. Frische Lebensmittel enthalten in der Regel sehr geringe Anteile von Histamin. Menschen mit einer Unverträglichkeit leiden an einem Mangel des körpereigenen Enzyms Diaminoxidase (DAO), das den Störenfried Histamin im Organismus abzubauen hilft.  Nimmt ein Betroffener dann mit der Nahrung oder beim Weingenuss Histamin zu sich, reichen schon geringe Mengen, um die unangenehmen Nebenwirkungen auszulösen.


Häufige Beschwerden machen Lebensmittel wie lange gereifter Käse, alkoholische Getränke, Schokolade, Nüsse, Fisch, Tomaten, Erdbeeren oder Spinat sowie Zitrusfrüchte. Menschen mit Intoleranz reagieren meistens auch auf den Geschmacksverstärker Glutamat empfindlich.

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