Robert ist ein Rabe. Er ist stolz darauf. Robert ist ein Roma. In Rumänien, wo „Rabe“ ein Schimpfwort ist für die Cigani, wie sie sich selbst nennen. Aber Robert hat „Rabeneltern“, die ihm Flügel machen. Auf denen er in eine bessere Zukunft fliegen kann.
Mit 15 schwanger
„Cristina war eine der ersten, die vor zehn Jahren zu uns kam“, erzählt Ruth Zenkert. 15 war das Mädchen damals und schwanger. Wie viele Roma-Mädchen in dem Alter, so mit 12 Jahren wird traditionell geheiratet. Cristina lebte in einer Lehmhütte ohne Wasser, ohne Kanal, ihr Mann war meist weg. War er zu Hause, war er fast immer betrunken.
Das „saubere Dorf“ sollte vieles ändern. „Das war unser erstes Projekt, weil damals einfach alles auf die Straße geworfen wurde. Im Bach lag vom Kühlschrank bis zum toten Hund alles“, erzählt Zenkert.
Cristina machte mit. Sammelte Müll und damit Punkte. Konnte ihre Kinder im Sozialzentrum waschen. „Und es war ihre erste Übung, Arbeit kennenzulernen“, sagt Zenkert.
Heute hat Cristina sieben Kinder. Sie lebt in einem richtigen Haus mit Wasser- und Kanalanschluss, hält es sauber. Sie selbst geht arbeiten, ihre Kinder in die Schule. So wie Robert.
Als erster in der Familie, seit eh und je, seit Jahrhunderten, kann er lesen und schreiben. „Cristina hat etwas getan, etwas geändert, für ihre Kinder sind alle Tore geöffnet“. sagt Zenkert.
Vor elf Jahren kam Ruth Zenkert mit Georg Sporschill hierher, nach Siebenbürgen. Nahe Sibiu, dem früheren Hermannstadt. Der Jesuitenpater Sporschill ist eine „Sozialarbeiter-Legende“, arbeitete in Wien mit Obdachlosen, war „Engel der Straßenkinder“ in Moldawien.
Neue Mission mit 65
Und startete mit 65 eine neue Mission, eine scheinbar unmögliche. „Die Schwierigen haben mich immer angezogen“, sagt Sporschill lächelnd. Denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, mit Roma zu arbeiten, in die Slums zu gehen, wo Menschen in für Mitteleuropa unglaublicher Armut leben.
Hilfe geben, bestenfalls Hilfe zur Selbsthilfe, ist nicht so einfach. „Wenn man Leuten, die gar nichts haben, nur gibt, macht man sie nur noch kleiner, noch ärmer. Man muss entdecken, was sie geben können“, sagt Sporschill.
Auch deshalb nannte er seinen neuen Verein nach dem Propheten Elijah. Der das tote Kind einer armen Witwe zum Leben erweckte. Aber erst, nachdem sie, dem Hungertod nahe, ihm etwas zu essen gegeben hatte. „Das wollen wir auch: Den Menschen das Gefühl geben, dass auch sie etwas geben können. Und wenn es nur ein Lächeln ist.“
Musik verbindet
Den Kreislauf aus Armut, Lethargie, Resignation zu durchbrechen, anerkannt zu werden, war nicht leicht. Eine alte Schule in Nou (früher Neustadt) zu kaufen und als Sozialzentrum zu sanieren, war das eine.
Dass die Leute auch zu ihnen kommen, das andere. „Ein Lehrer hat uns geholfen, er ist von Tür zu Tür gegangen, hat mit den Leuten gesprochen“, erzählt Ruth Zenkert. Heute kommen ins Sozialzentrum, Casa Martin, rund 180 Kinder.
In die Krabbelstube, in die Schule. Und in die Musikschule. Denn um die Kinder zu „fangen“, um ihr Vertrauen zu gewinnen, ist Musik die richtige Sprache. „Mit drei Trommeln haben wir begonnen“, sagt Zenkert. Heute gibt es ein großes Orchester und Tanzgruppen.
Der „Rabentanz“, ein großes Konzert mit Tanz, ist der Abschluss des Schuljahres. „Die Raben haben Elijah Brot und Fleisch gebracht. Sie sind Lebensretter, daher haben wir sie als Symbol für unseren Verein gewählt“, so Sporschill.
In vier Dörfern betreibt Elijah heute Sozialzentren, betreut bis zu 700 Kinder und ihre Familien. Und ist dabei fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. Ein großer Unterstützer ist das Stift Klosterneuburg.
Eine Delegation mit Kämmerer Anton Höslinger, die auch Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager begleitete, besuchte jüngst Elijah: „2013 sind wir hier auf einer Baustelle gestanden, es ist schön, zu sehen, wie es sich entwickelt“, sagt Höslinger.
Vielen kann man helfen, vielen nicht. „Man muss die positive Energie suchen“, sagt Sporschill. Sein Lebensmotto stammt aus dem Talmud: „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“.
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