Die geheimen Zahlen: Ist das Gesundheitssystem in NÖ wirklich krank?

Am Freitag legte SPÖ-Landesparteichef Sven Hergovich noch einmal nach.
Seit Monaten üben die Sozialdemokraten heftige Kritik am Management des Gesundheitswesens in Niederösterreich.
"Verwaltungsmonster"
Hergovich sprach von einem „Systemversagen“ und attackierte dabei auch die Landesgesundheitsagentur (LGA), die er als „Verwaltungsmonster“ bezeichnet. Schuld daran, so die Roten, sei die Politik. Schuld sei Schwarz-Blau.
In einer Pressekonferenz mit Hergovich behauptet SPÖ-Nationalratsabgeordneter Rudolf Silvan sogar, dass aufgrund von Missmanagement und Personalmangel Menschen in Niederösterreich verstorben seien.
Die Landesgesundheitsagentur (LGA) reagierte umgehend und prüft nun rechtliche Schritte. "Zum Schutz der Mitarbeiter", wie es heißt.
ÖVP-Gesundheitssprecher Franz Dinhobl betonte, dass die SPÖ mit "nicht belegten Aussagen" vor allem Unsicherheit und Angst schüre.
Irrfahrten
Tatsächlich sorgte die Gesundheitsversorgung im größten Bundesland aber in den vergangenen Monaten mehrmals für Negativ-Schlagzeilen.
Patienten berichteten von Irrfahrten zu mehreren Spitälern und über lange Wartezeiten. Die Schließung der Geburtenstation und Abteilung für Frauenheilkunde am Landesklinikum Waidhofen an der Ybbs sorgte ebenfalls für helle Aufregung. In der HNO-Abteilung in Mistelbach sah sich die LGA gar mit einer Kündigungswelle konfrontiert.
Spurensuche
Was ist da los in den Spitälern in Niederösterreich? Gibt es den viel zitierten Ärztemangel tatsächlich und wie viele Austritte wurden verzeichnet? Der KURIER hat sich auf Spurensuche begeben – und wurde fündig.
Fest steht, dass noch nie so viele Mitarbeiter (Vollzeitäquivalente) in den NÖ Kliniken gearbeitet haben wie jetzt. Waren es mit Stichtag 31.12.2019 noch 3.449 Ärzte, so sind mit Stand März 2024 3.548 Ärzte in den Spitälern.
Eine Steigerung gab es übrigens auch bei den Pflegern und dem nicht medizinischen Personal.
Allerdings muss die LGA auch Planvorgaben erfüllen. Ein Blick auf die neuesten Daten zeigt folgendes: Derzeit gibt es etwa 30 unbesetzte Ärzte-Vollzeitstellen bei insgesamt 3.600 Medizinern. Eine große Lücke ist hier nicht zuerkennen. Im Bereich der Pflege liegt man sogar über dem Plan-Soll.
Spricht man mit den Verantwortlichen, werden die Herausforderungen im Personalbereich aber nicht kleingeredet. Der Leistungsumfang habe sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, ist zu hören, zu schaffen mache auch die hohe Teilzeitquote über alle Berufsgruppen hinweg, die derzeit bei mehr als 50 Prozent liege. Diese steigert sich pro Jahr um etwa einen Prozentpunkt.
Ambulanz statt Hausarzt
Heftig zu spüren bekommen die Kliniken auch die Lücken im niedergelassenen Bereich. Mehr als die Hälfte der Patienten, die auch von einem Hausarzt behandelt werden könnten, melden sich in den Spitalsambulanzen.
Immer wieder ist auch die Rede davon, dass viele Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber den Rücken kehren würden. Der Druck sei zu groß, die Arbeitsbedingungen schlecht, sagen Kritiker.
Passt das auch mit den Zahlen zusammen? Von 2018 bis 2023 verzeichnete die LGA insgesamt 9.767 Austritte, im ärztlichen Bereich waren es 2.196 Personen. Im selben Zeitraum wurden allerdings auch 11.613 Eintritte verzeichnet, 2.552 Ärzte sind hinzugekommen. Insgesamt ist hier also ein Plus zu verzeichnen.
Wie viele Spitalsbetten sind in NÖ frei?
Den größten Anteil an Austritten machen übrigens Pensionierungen aus. Apropos Pensionierungen: Auch hier gibt es große Herausforderungen, denn bis zum Jahr 2030 werden sich jährlich rund 1.000 Mitarbeiter in den Ruhestand verabschieden – 13 Prozent davon sind Ärzte, 17 Prozent sind Pflegekräfte.
Bleibt noch die Frage, wie es mit den Kapazitäten in den NÖ Kliniken bestellt ist, in Zeiten der Corona-Pandemie war hier die Lage zum Teil schon recht angespannt. Im Schnitt, so heißt es, gibt es derzeit rund 1.800 Freie Betten.
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