Fall Fritzl "jederzeit wieder" möglich

Das "Horrorhaus" in Amstetten
Gutachterin meldet sich rund um Jahrestag zu Wort. "Horrorhaus" nach wie vor nicht verkauft.

Vor acht Jahren ist in Amstetten der Missbrauchsfall Fritzl aufgeflogen. Düster und abschreckend erinnert vor allem das Horrorhaus des Inzestvaters in der Ybbsstraße weiterhin an den Kriminalfall. Der Masseverwalter des in Stein lebenslang inhaftierten Mörders Fritzl fand bis jetzt niemanden, der das Gebäude kaufen will.

Zur Erinnerung: Fritzl hatte seine Tochter 24 Jahre lang im Keller seines Hauses eingesperrt, sie missbraucht und mit ihr sieben Kinder gezeugt. Geschehnisse, die in Amstetten noch immer für Verunsicherung sorgen, wenn sie angesprochen werden. Indirekt schwebte die Horrorgeschichte auch über einem Symposium, das das Amstettener Kinderschutzzentrum "Kidsnest" kürzlich anlässlich des 15-jährigen Jubiläums zum Thema "Sexueller Missbrauch und die Folgen" veranstaltete. Eine der Hauptvortragenden war die renommierte forensische Gerichtspsychiaterin und Gutachterin im Prozess gegen Josef Fritzl, Adelheid Kastner. "Wenn ich nicht darauf angesprochen werde, beschäftigt mich Fritzl überhaupt nicht mehr", meint sie im Gespräch mit dem KURIER. 2008 hatte sie Amstetten sehr wohl beschäftigt. Da erforschte sie auch das "Horrorhaus" in der Linzer Straße 40.

Fall Fritzl "jederzeit wieder" möglich
Heidi Kastner , Gutachterin , Forensikerin , Adelheid Kastner Primarärztin
Nicht Fritzls Tat, sondern dessen langjähriges kriminelles Tun und die außergewöhnliche Logistik, die er um seine Opfer im Keller aufgebaut hatte, waren das Besondere an dem Fall, erinnert sich Kastner.

Kaninchenbau

"In Keller gesperrte Missbrauchsopfer kann es überall und jederzeit wieder geben", ist Kastner überzeugt. Das Haus des Amstettener Täters verglich sie mit einem verwinkelten Kaninchenbau. Was zum Drama, das sich darin abspielte, passte. Rund um das schaurige Gebäude, dessen Keller mit Beton verfüllt worden war, gibt es derzeit keine Neuigkeiten, heißt es aus dem Amstettener Rathaus. Was auch von Masseverwalter Walter Anzböck bestätigt wird.

Im Kampf gegen Missbrauch spielte der Fall Fritzl die Rolle eines Eisbrechers im gesellschaftlichen Bewusstsein. Im Amstettener "Kidnest" war 2008 die Zahl der anzeigen besorgter und betroffener Menschen fast um 20 Prozent gestiegen. In ihrem Vortrag beschrieb Adelheid Kastner mehrere wissenschaftliche Modelle zur Typologie von Tätergruppen und ihre Motivation zum Missbrauch. Dabei stellte sie klar dar, dass sexueller Missbrauch von Kindern zu einem Großteil im Familien-, Verwandtschafts- oder Bekanntenkreis passiert. Nur 15 Prozent der Täter leiden unter angeborener und nicht heilbarer Pädophilie. Ebenfalls durch die Forschung bestätigt: Hinter jedem Inzestfall steckt "eine gesamtfamiliäre Störung". Rund um Missbrauchsfälle tauchen nicht selten "Mütter, die nicht hinschauen wollen", auf.

Für ihren Bereich der Forschung sei der Fall Fritzl kein Thema mehr, meinte die Medizinerin. Im für das Mostviertel zuständigen Kinderschutzzentrum Amstetten wurden 2015 453 Klienten, davon 171 Kinder betreut. Gewaltdelikte und auch sexueller Missbrauch standen dabei an vorderster Stelle.

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