Zufluchtsstätten für Frauen stoßen an ihre Grenzen
Durchgangszimmer, keine Privatsphäre, eine Küche und zwei Bäder für zehn Frauen und ihre elf Kinder. Die Zustände im Frauenhaus Mödling – dem ältesten im Bundesland – als beengt zu bezeichnen, kommt den Tatsachen nicht nahe.
Die Unterkunft in dem ehemaligen Amtshaus platzt aus allen Nähten.
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Wo früher Sekretärinnen im Vorzimmer ihrer Chefs saßen, sind nun zwei Familien untergebracht. Räume für die Betreuung und Beschäftigung der Kinder fehlen, die Sozialpädagoginnen und -pädagogen arbeiten im einzigen Mitarbeiterbüro mit ihnen. Nur an Nachfrage nach Plätzen fehlt es im Frauenhaus nicht.
"Wir haben die schlechtesten Standards und sind trotzdem immer voll", sagt Frauenhausleiterin Simone Schweiger. Zehn Plätze gibt es, bis auf einen kurzen Zeitraum im August seien die immer voll belegt gewesen.
Das liebe Geld: 90 Prozent haben kein Konto
Immer wieder müsse man Frauen an andere Einrichtungen verweisen. Eigentlich brauche man weit mehr Plätze, sagt Schweiger. Ein Neubau oder eine Sanierung sei im Moment aber nicht möglich, sagt Schweiger.
Und das liegt an der Finanzierungsstruktur der Opferschutzeinrichtung:
- In Niederösterreich werden die Frauenhäuser von Trägervereinen betrieben.
- Sie erhalten eine Sockelfinanzierung vom Land sowie einen Tagsatz – aktuell in der Höhe von 12,50 Euro pro Bewohnerin.
- Das Frauenhaus Mödling erhält als Sockelbeitrag rund 440.800 Euro im Jahr.
"Das brauchen wir für die laufenden Kosten, aufgrund der Inflation sind wir nicht überfinanziert", sagt Schweiger.
Zudem ist man auf Spenden und Subventionen von Privaten und umliegenden Gemeinden angewiesen. Denn im Bezirk gibt es kaum Kassenkinderärzte oder -gynäkologen, auch Psychotherapie müssten die Bewohnerinnen privat bezahlen.
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- Verbote
In NÖ wurden bis Ende September insgesamt 2.120 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen – im Vergleich zu den Vorjahren ein starker Anstieg. - Gewalt
Laut einer Studie des Instituts für Konfliktforschung waren die Partner bei 74 Prozent der Frauenmorde zwischen 2016 und 2020 die Täter. - 12 Millionen Euro sollen in Österreich bis 2027 für den Ausbau von Schutz- und Übergangswohnungen investiert werden.
Für Frauen, die aus gewalttätigen Beziehungen geflüchtet sind, oft unmöglich. "90 Prozent der Frauen, die hier einziehen, haben kein eigenes Konto." Stattdessen hätten viele sogar Schulden, von denen sie bislang nicht einmal gewusst haben. "Häusliche Gewalt ist oft nur die Spitze des Eisbergs. Die Frauen befinden sich in dramatischen sozioökonomischen Lagen", sagt Schweiger.
Neubau würde 2,3 Millionen Euro kosten
Für einen Neubau des Frauenhauses wären aus ihrer Sicht rund 2,3 Millionen Euro notwendig. Das Risiko bei der Finanzierung müsste der Trägerverein tragen – viele der Mitglieder arbeiten aber nur ehrenamtlich mit. Anders sei es in Wien oder OÖ, sagt die Frauenhaus-Chefin. "In Oberösterreich baut das Land, die Frauenhäuser mieten sich ein."
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Die zuständige Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig weiß um die Probleme. Aktuell gebe es 58 Plätze in den sechs niederösterreichischen Frauenhäusern, sagt sie. Besonders im Waldviertel fehle ein Frauenhaus, auch nördlich von Wien sei die Infrastruktur unzureichend.
Seit Jahren engagiert sich Königsberger-Ludwig im Gewaltschutzbereich, zuletzt habe man die Finanzierung erhöhen können, sagt sie. 2,75 Millionen Euro waren es 2022. Aktuell möchte sie mehr finanzielle Unterstützung beim Ausbau oder Neubau von Frauenhäusern erreichen, was Mödling helfen würde.
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"Wir sind gerade dabei, neue Finanzierungsmodelle aufzustellen mit Genossenschaften und Wohnbauförderung", sagt sie. Allein, es hängt nicht nur von Königsberger-Ludwig ab. "Es kommt da auch auf die Mehrheitsentscheidung der Landesregierung an", räumt sie ein.
Zuletzt ließ die Landesrätin ein „Musterfrauenhaus“ planen, das aktuellen Standards entspricht, mit einem Zimmer für jede Frau und einer eigenen Nasszelle. Dinge, die selbstverständlich sein sollten. Im Sommer wurde auch vom Bund mehr Geld für den Bau von Übergangswohnungen für gewaltbetroffene Frauen zur Verfügung gestellt. Damit sollen ab nächstem Jahr 17 Übergangswohnungen installiert werden.
„Wir sind gerade dabei, ein Sicherheitskonzept auszuarbeiten“, sagt die Landesrätin. Auch wird mit den Trägern verhandelt, wo diese Wohnungen am dringendsten gebraucht werden. Damit, hofft Königsberger-Ludwig, soll die Platznot etwas gelindert werden.
Schweiger hingegen hofft, dass bald Bewegung in Sachen Ausbau in Mödling kommt. Denn die Anforderungen werden immer mehr. „Die Klientinnen werden immer jünger und die brauchen oft viel intensivere Unterstützung, als wir bieten können“, erklärt sie. Dazu komme, dass es für die Frauen immer schwieriger wird, nach dem Aufenthalt im Frauenhaus – der im Regelfall ein Jahr dauern darf – selbstständig zu werden. Zu hoch seien die Wohnkosten am freien Markt.
Rückkehr als Ausweg
Auf Gemeindewohnungen etwa hätten die Frauen oft keinen Anspruch. Wobei Königsberger-Ludwig auch hier Änderungen in Aussicht stellt. In Stockerau etwa seien die Vergaberichtlinien schon geändert worden.
Eigentlich würde es für Mödling eine Verdoppelung des Budgets brauchen, meint Schweiger. Und generell mehr Einrichtungen wie Genossenschafts- oder mehr Mutter-Kind-Wohnungen. Auch, dass Frauen im Frauenhaus keinen Anspruch auf Sozialhilfe, sondern nur auf 91 Euro Taschengeld haben, gehöre reformiert. Denn die Konsequenz sei: Wegen der vielen schwierigen Umstände kämen viele Frauen gar nicht erst ins Frauenhaus. Oder kehren zu ihren Peinigern zurück.
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