Kein Verfahren nach Vergewaltigung: "Ich war nicht Opfer genug"
Weihnachten wird für Emma Gruber (Name geändert) nie wieder dasselbe sein. Ein Fest, das man in der Regel im Kreise seiner Liebsten verbringt, wurde für die junge Frau zum Albtraum.
Begonnen hatte der Abend mit einem Essen mit der Großfamilie. Es wurde spät. Emma beschloss deshalb, im Hause ihres Vaters, der getrennt von der Mutter lebt, zu übernachten. „Mein Stiefbruder hat mir dann angeboten, in seinem Bett zu schlafen. Er sagte, er würde auf der Couch schlafen“, erzählt Emma. Ihr Stiefbruder schlief nicht auf der Couch.
Was dann passierte, weiß Emma nicht mehr bis ins kleinste Detail – durch das erlebte Trauma geriet sie in eine Art Schockstarre. „Bei Traumata ist es aber normal, sich nicht an alles zu erinnern.“ Aber eines stand für Emma fest: Sie war vergewaltigt worden. Drei Tage nach dem Übergriff erstattete sie Anzeige bei der Polizei.
Bruchteil vor Gericht
Damit ist die junge Frau alles andere als allein, wie ein Blick in die Auswertungen des Justizministeriums (BMJ) zeigt: 2022 gab es 1.476 Anzeigen wegen Vergewaltigung, 2019 waren es 1.292. Nur ein Bruchteil dieser Fälle landet tatsächlich vor Gericht, der Großteil der Anzeigen wird schon im Verantwortungsbereich der Exekutive nicht mehr weiterverfolgt.
Jene Fälle, denen sich die Staatsanwaltschaft annimmt, enden vergleichsweise sehr häufig mit einer Einstellung. Das zeigt auch die aktuellste Zahl aus dem BMJ: Im vergangenen Jahr wurden 879 Verfahren eingestellt, in nur 122 Fällen kam es zu einer Verurteilung.
Nicht so bei Emma. In ihrem Fall reichte die schriftliche Stellungnahme des Beschuldigten aus, um das Verfahren einzustellen. Dabei musste die junge Frau all ihren Mut zusammennehmen, um jemanden aus ihrer Familie anzuzeigen. Doch bereits die Einvernahme bei der Polizei sei traumatisch verlaufen. „‚Das zählt nicht als Vergewaltigung‘, war das Erste, was die Polizistin gesagt hat“, erzählt Emma. Sie sei durch diese Aussage paralysiert gewesen und habe die ganze Zeit auf das Bild hinter der Beamtin starren müssen, das Acryl eines weinenden Mädchens – im Vernehmungszimmer wohlgemerkt.
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