Falsche Bewegung und der Hundeführer wurde zum Feind

Die Zwingeranlage beim Jagdkommando
Laut Heer war eine Schutzreaktion des Soldaten der Auslöser für die tödliche Attacke beim Jagdkommando in Wr. Neustadt.

„Die Situation ist eskaliert. Toni wurde vermutlich gebissen und vom Hund in ein Feindbild umgewandelt“. Zwei Wochen nach der tödlichen Hundeattacke auf den 31-jährigen Jagdkommando-Soldaten Dominik R. (Spitzname Toni) in Wiener Neustadt hat das Bundesheer am Freitag vor Journalisten eine Tatrekonstruktion abgehalten und die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen präsentiert.

Mutmaßungen über Militärhund "Hati": Amerikanischer Experte soll Klarheit bringen

Während die Truppe auf einer Übung war, sollte Dominik R. die beiden Hunde eines Kameraden betreuen. Weil der sieben Monate alte Welpe „Ragna“ eine Beißhemmung hatte, sollte er demnächst dem Züchter zurückgegeben werden. „Hati“ galt als gut ausgebildeter, 28 Monate alter Belgischer Schäferhund (Malinois). Am 13. November gegen 16 Uhr fuhr der 31-jährige Hundeführer mit seinem eigenen Diensthund „Jack“ im Kofferraum zur abgelegenen Zwingeranlage der Kaserne, um die Tiere zu bewegen.

Um Erkenntnisse für die weitere Ausbildung der Hunde zu bekommen, wird der Vorfall mit einem US-amerikanischen Hundespezialisten und den beiden betroffenen Tieren in Wr. Neustadt simuliert. Egal was die Veterinärbehörde mit den Hunden vor hat, beim Jagdkommando werden sie nicht mehr eingesetzt.

Unabhängig von Polizei und Staatsanwaltschaft hat man beim Heer die weiteren Geschehnisse minutiös rekonstruiert. Weil es weder Augenzeugen noch Kameras am Unglücksort gab, spricht der Kommandant des Jagdkommandos, Oberst Philipp Segur-Cabanac von einem „vermuteten Hergang“. Dominik R. hatte seinen eigenen Hund im Kofferraum gelassen und den jüngeren „Ragna“ aus dem Gästezwinger und „Hati“ aus dem daneben liegenden Dienstzwinger geholt.

Falsche Bewegung und der Hundeführer wurde zum Feind

Der Diensthundezwinger beim Jagdkommando. Das Opfer lag rechts neben dem geöffneten Eingangstor

„Toni kannte Hati sehr gut. Er wollte mit beiden Hunden ohne Leine und Halsband zum Auslaufbereich. Ein ganz normaler Vorgang“, schildert ein Hundeführer und Kollege des Getöteten. Die Attacke geschah auf einem schmalen Weg direkt hinter den Hundezwingern. „Wir vermuten, dass die Hunde vorausgelaufen, zurückgekommen und im Dunkeln im vollen Lauf auf Toni zu gerannt sind. Er wird eine Schutzhaltung eingenommen haben, um sich nicht zu verletzen“, so der Hundeführer.

Er vermutet, dass „Hati“ durch eine hastige Bewegung das Knie oder eine andere Extremität von Dominik R. zu spüren bekam und auf diesen Auslöser hinauf zubiss. „Dieses Fehlverhalten des Hundes hat er sicher versucht abzustellen und sich vom Biss zu lösen. Das hat die Sache aber verschärft und die Rangordnung zwischen Hundeführer und Tier aus dem Gleichgewicht gebracht“, so der Hundeführer. Die eigentliche Bezugsperson mutiere dadurch zum Feindbild des scharf abgerichteten Tieres. Durch eine zweite anwesende Person wäre das Unglück sicher zu verhindern gewesen, meint Segur-Cabanac.

Falsche Bewegung und der Hundeführer wurde zum Feind

Philipp Segur-Cabanac, Kommandant des Jagdkommando

Keine Waffe dabei

Dominik R. hatte weder seine Dienstpistole noch ein Messer bei sich und war dem beißwütigen Hund schutzlos ausgeliefert. Die Kampfspuren erstreckten sich auf einer Länge von rund zehn Metern. In diesem Bereich lag die Kleidung des Opfers verstreut, sie wurde ihm vom Leib gerissen. Wie Segur-Cabanac aus dem vorläufigen Obduktionsergebnis weiß, wurden dem 31-Jährigen die großen Arterien an den Oberschenkeln und den Oberarmen so verletzt, dass das Opfer binnen ein bis zwei Minuten verblutete. „Selbst wenn Kameras vorhanden wären, ist fraglich, ob rechtzeitig Hilfe gekommen wäre“, heißt es beim Bundesheer.

Anwalt der Familie vom Heer ausgesperrt

Der Rechtsanwalt der Familie des Opfers, Erich Gemeiner, beklagte vor der Kaserne, dass er vom Heer nicht zu dem Medientermin zugelassen wurde. Der Jurist bekrittelt, dass das Heer solche Schlussfolgerungen zieht, obwohl die Ergebnisse der polizeilichen Spurensicherung, das schriftliche Obduktionsgutachten sowie die DNA-Abgleiche noch nicht einmal vorliegen. "Das ist lediglich eine subjektive Bewertung des Bundesheeres, wie es deren Ansicht nach gewesen sein könnte. Wir wissen nicht einmal noch wo welcher Hund zugebissen hat, geschweige denn wann welche Verletzung entstanden ist", spricht Gemeiner von einem "pietätslosen Armutszeugnis."

Auffallend und zugleich zutiefst verstörend sei laut Gemeiner, dass man nunmehr offensichtlich versucht, die Alleinschuld dem verstorbenen Kameraden in die Schuhe zu schieben. "Dies scheint eine leichte Übung zu sein, zumal sich ein Toter bekanntlich nicht mehr gegen derartige Vorwürfe wehren kann." Der Anwalt sieht eine Reihe von Verfehlungen des Militärs. Zum Beispiel die fehlende Bestreifung der Zwingeranlage durch die Wache oder den Offizier vom Tag, sowie die Überprüfung der Umzäunung. Die Tiere konnten bekanntlich ins Kasernenareal entkommen.

Falsche Bewegung und der Hundeführer wurde zum Feind

Erich Gemeiner durfte nicht in die Kaserne

Kommentare