Erfrischende Kälteseen: Warum es im Waldviertel oft kühler ist

Darüber, dass man sich im Waldviertel oft wärmer anziehen muss, als sonst wo im Bundesland (oder im ganzen Land) wird oft gescherzt. Nicht selten führt die Wetterstation beim Stift Zwettl das Ranking der tiefsten Temperatur an.
Doch nicht überall im Waldviertel ist es gleich kalt – es gibt Orte, an denen es noch kälter ist. Etwa in Schwarzau im Freiwald (Bezirk Gmünd). Und genau dort hat nun die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eine neue Messstation aufgestellt. In den vergangenen Tagen zum Beispiel zählte Schwarzau meistens zu den kältesten Wetterstationen Österreichs, mit Tiefstwerten bis minus 5 Grad, während in der weiteren Umgebung größtenteils Plusgrade gemessen wurden.
Der Grund dafür sind sogenannte Kaltluftseen – sie sind nicht nur für das Waldviertel, sondern auch für das Mühlviertel typisch.
Entstehung
Die Geländeformen des Waldviertels begünstigen die Bildung von ausgeprägten Kaltluftseen und die damit verbundenen Temperaturinversionen (Anstieg der Temperatur mit zunehmender Höhe). „Mit der Kaltluft ist es wie mit Himbeersirup im Wasser – sie ist schwerer als normale Luft und sammelt sich unten. Wenn sie nicht abfließen kann, hält sie sich dort“, erklärt Roland Potzmann von der ZAMG-Datenerfassung. Das sei dann der Fall, wenn wenig Wind, kein Nebel und keine Bewölkung da seien, besonders stark bilden sich Kaltluftseen in klaren Nächten.

Im angeführten Beispiel sind die Luftmassen so feucht, dass sich rasch bodennaher Nebel ausbildet.
Die immer wieder auftretenden großen Unterschiede der Temperatur auf engem Raum erfasst das aktuelle Messnetz der ZAMG aufgrund der mehrheitlichen Lage der Stationen auf Hügeln oder Anhöhen nur teilweise. Die Station in Schwarzau misst rund um die Uhr die Temperatur in zwei Metern Höhe und fünf Zentimeter über dem Boden sowie Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Menge und Dauer des Niederschlags, Windrichtung und Windstärke.
Die ZAMG erklärt das Phänomen so: Als Kaltluftsee werden lokal begrenzte Ansammlungen von Kaltluft bezeichnet. Sie bilden sich vorwiegend in wolkenfreien, windstillen Nächten, da dann die Erdoberfläche durch langwellige Ausstrahlung stark abkühlen kann. Je kälter Luft ist, desto schwerer (weil dichter) ist sie. Daher strömt abkühlende Luft, ähnlich wie Wasser abwärts, und sammelt sich in Mulden, Senken und Becken.
Wie schnell oder wie tief die Temperatur sinkt, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem sind Seehöhe, Luftfeuchtigkeit, Höhenunterschied im Gelände und Schneebedeckung von großer Bedeutung. Auch der Bewuchs und die Bodenbeschaffenheit spielen eine Rolle.
Mittels Geländemodellen versucht man nun, ähnliche Lagen herauszufinden und dem Modell beizubringen, dass es sich dort ähnlich verhält. „Das ist schon ein extremer Standort. Es gibt wahrscheinlich nicht sehr viele Ortschaften, die sich genau in so was hineingesetzt haben, weil die Leute mitbekommen haben, dass das nicht so ideal ist“, sagt der ZAMG-Experte.
Kältepole Österreichs
Dafür, dass es im Waldviertel oft besonders frisch ist, sind aber nicht nur die Kaltluftseen verantwortlich. „Grundsätzlich ist es die nördliche und höhere Lage“, sagt Potzmann, andere „Kältepole“ seien inneralpine, größere Täler, wie der Lungau. Dort verhindere eine Mischung aus Seehöhe und Hindernissen rundherum, dass die Luft abfließen kann. Tamsweg und St. Michael seien üblicherweise die kältesten bewohnten Orte Österreichs.
Zum Image des Waldviertels als Kälte-Hotspot könnte die ZAMG mit der Wetterstation im Stift Zwettl allerdings beigetragen haben. „Dass das Stift mit Kaltluft auffällt, könnte nicht nur natürlich sein, sondern auch an den Mauern liegen, die die Messstation umgeben.
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