"Er trickste, tarnte und täuschte": Wohnbau-Krimi mit Millionenschaden

Wolfgang U. wird von Rechtsanwalt Michael Dohr vertreten
Prozess gegen den früheren Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft "die Eigentum" und fünf Mitangeklagte.

Der mutmaßliche Millionenbetrüger und Hauptangeklagte Wolfgang U. (65) schleppt sich auf dem Rollator in den großen Schwurgerichtssaal in Wiener Neustadt. Als ihn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Sommer beschatten ließ, benötigte er keine Gehhilfe, fuhr selbstständig mit dem Auto und saß stundenlang im Wirtshaus.

Die Frage nach der Verhandlungsfähigkeit des Erstangeklagten in dem am Montag gestarteten Monsterprozess um die ehemals gemeinnützige Wohnbaugesellschaft "die Eigentum" trägt seltsame Blüten. 

Stadt Wien und land Niederösterreich betroffen

Wolfgang U. soll der Drahtzieher jenes Finanz- und Wohnbauskandals sein, der laut WKStA einen Schaden von mindestens 22,4 Millionen Euro verursacht haben soll - mittendrinn als Geschädigte auch die Stadt Wien und das Land Niederösterreich.

Beschuldigt werden insgesamt sechs Personen und vier Unternehmen, darunter Wolfgang U.s Tochter, ein niederösterreichischer Notar, ein Rechtsanwalt und ein Architekt. Der Hauptvorwurf lautet auf betrügerische Krida. Weil das neue Gutachten über den Gesundheitszustand und die Verhandlungsfähigkeit des ehemaligen Geschäftsführers zum Prozessstart am Montag noch nicht vorlag, wurde das Verfahren gegen den 65-Jährigen zunächst ausgeschieden und Wolfgang U. zurück in die Zelle geschickt.

Auch in Bezug auf den Sechstangeklagten - einen ehemaligen Bankvorstand und Aufsichtsrat - wird ein Gutachten eingeholt. Der 76-Jährige erschien nicht zum Prozessstart, das Verfahren gegen ihn wurde ebenfalls ausgeschieden.

Worum es in dem Prozess geht?

Im Verfahren geht es "um den Missbrauch des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich“, erklärte der Ankläger der WKStA in seinem Eröffnungsvortrag. "Er trickste, tarnte und täuschte“, sagte der Staatsanwalt über den Erstangeklagten.

Als einst gemeinnützige Wohnbaugesellschaft realisierte "die Eigentum" mit Fördergeldern der öffentlichen Hand "leistbaren Wohnraum“. So sind alleine in Wien 600 geförderte Sozialwohnungen entstanden. Nach dem Wechsel des Firmensitzes 2014 von Wien nach Vösendorf (NÖ) wurde die NÖ Landesregierung in der Causa rasch stutzig.

Wegen einer Vielzahl an Verfehlungen und dubiosen Grundstücksverkäufen wurde der Wohnbaugesellschaft die Gemeinnützigkeit aberkannt. Auf Basis zweier Gutachten über ihr Liegenschaftsvermögen sollte "die Eigentum“ eine Abschlagzahlung in der Höhe von 53,24 Millionen Euro an das Land NÖ leisten. Bezahlt wurden aber nur 6,6 Millionen Euro.

Die Firma schlitterte in die Pleite. Im März 2021 wurde das Unternehmen insolvent, letztendlich wurde es geschlossen.

"Er trickste, tarnte und täuschte": Wohnbau-Krimi mit Millionenschaden

Der Angeklagte mit Rollator auf dem Weg in den Gerichtssaal

Laut Anklage soll Wolfgang U. ab 2012 Bestandteile seines Privatvermögens und des Vermögens von mehreren Firmen veräußert oder verringert haben, wodurch die Befriedigung der Gläubiger geschmälert wurde und die Unternehmen geschädigt wurden.

Er soll Wohnungen weit unter ihrem Wert an sich, sein privates Umfeld und andere Firmen verkauft haben. Außerdem sollen u.a. unbesicherte Darlehen an Gesellschafter oder Familienangehörige vergeben worden sein. Zudem soll Zahlungen im Wert von 900.000 Euro ohne nennenswerte Gegenleistung veranlasst haben. Der mitangeklagte Banker sei im Zuge einer Kreditvergabe in den Tatplan "eingeweiht“ und "mittendrin statt nur dabei“ gewesen, sagte der Ankläger.

Aufgrund einschlägiger Vorstrafen in Verbindung mit einem früheren Unternehmen habe der 65-Jährige zunächst nicht selbst als Geschäftsführer und Eigentümer in diversen Firmen aufscheinen können. Deshalb, so der Vorwurf, habe er dessen Frau, die inzwischen verstorben ist, als Geschäftsführerin vorgeschoben. Auch die 32-jährige Tochter soll diverse Scheinfunktionen ausgeübt haben, weshalb sie mitangeklagt ist.

Unterschriften im Notariatsakt gefälscht

Der Beschuldigte "verschleierte die wahren Eigentumsverhältnisse“, so der Oberstaatsanwalt. Weil die Aufsichtsbehörde dem früheren Geschäftsführer auf den Fersen war, habe er den Firmensitz von Wien nach Niederösterreich und, "als es wieder eng wurde“, kurzfristig ins Ausland verlegt. Dem 65-Jährigen werden auch die Vergehen des falschen Vermögensverzeichnisses im Insolvenzverfahren und der Fälschung besonders geschützter Urkunden vorgeworfen, weil er laut einem graphologischen Gutachten Unterschriften auf Notariatsakten gefälscht haben soll.

Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde Wolfgang U. im Oktober 2023 aus der U-Haft entlassen und auf Basis der neuen Erkentnisse vergangene Woche wieder festgenommen. Die Vorgangsweise bezeichnet sein Verteidiger Michael Dohr als "ungeheuerlich". Sein Mandant nehme starke Medikamente und könne keinem Prozess folgen. Psychisch leide der 65-Jährige an einer "Anpassungsstörung", die körperlichen Beschwerden hätten sich stark verschlechtert. 

Dem 72-jährigen Zweitangeklagten wird eine Darlehensaufnahme von „die Eigentum“ angelastet. Laut dem Verteidiger des früheren Rechtsanwaltes ist "Aufklärungsarbeit“ zu den näheren Umständen und Vorwürfen notwendig.

Der Drittangeklagte, ein Architekt, habe "überhaupt kein strafbares Verhalten gesetzt“ und sei "völlig schuldlos“, sagte sein Verteidiger. Die Vorwürfe gegen den 66-Jährigen, etwa in Bezug auf Scheinrechnungen, werden bestritten. Der Rechtsanwalt plädierte für einen Freispruch. Der Viertbeschuldigte - ein Notar im Alter von 63 Jahren - bestreitet die Vorwürfe laut seinem Verteidiger ebenfalls.

Masseverwalter stellt Forderungen

Bis zum 27. November sind insgesamt zwölf Verhandlungstage angesetzt. Zu den Privatbeteiligten, die sich am Verfahren angeschlossen haben, zählen das Land Niederösterreich und der Masseverwalter. Dieser bezifferte die finanziellen Ansprüche gegen den Erstangeklagten und dessen Tochter mit mindestens 16,8 Millionen Euro.

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