Deshalb drehte sich am Donnerstag alles nur noch um eine Frage: Sind die Vorwürfe ein Hirngespinst eines jungen Mannes mit einer attestiert „schweren narzisstisch-dissozialen Persönlichkeitsstörung“, oder darf man seinen Aussagen Glauben schenken?
Prominentes Gesicht
Um diese Frage entwickelte sich ein Gutachterstreit. Die Verteidigung hatte extra einen Experten für Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie von der Universität Kiel einfliegen lassen. Günter Köhnken wurde als Gutachter im Prozess gegen den deutschen Wettermoderator Jörg Kachelmann bekannt. Der Psychologe bekrittelte Mängel im Gerichtsgutachten zur Glaubwürdigkeit des Opfers. Die Methodik, wie das Gutachten erstellt wurde, hält der Rechtspsychologe für falsch und die getätigten Aussagen für nicht glaubhaft.
Gerichtsgutachterin Anita Raiger ist anderer Meinung. Auch wenn das ehemalige Heimkind aufgrund seiner schwierigen Persönlichkeitsstruktur „dazu neigt, Falschaussagen zu machen“, hält sie an seiner Glaubwürdigkeit fest. Sie gab aber zu bedenken, dass diese Beurteilung eines der schwierigsten Gebiete ihres Faches ist.
Der Anwalt des Angeklagten, Dieter Elsinger, hielt der Gutachterin zahlreiche Widersprüche in den Aussagen des Opfers vor. „Jeder, der mit dem Herren zu tun hatte, wurde von ihm irgendwann des Missbrauchs bezichtigt. Die Anzeige kam zu einem Zeitpunkt, als er bei den TG-Heimen kein Geld mehr bekam“, sieht der Anwalt ein eindeutiges Motiv. „Warum hat er 2010 bei der Polizei die Vorwürfe negiert?“, fragt Elsinger.
Antwort darauf bekam er keine. Der frühere Heiminsasse war zwar im Gerichtssaal anwesend, seine Aussage hatte er zuvor aber bereits kontradiktorisch per Video abgegeben. Weil die Staatsanwältin um 16 Uhr dringend weg musste, wurde der Prozess nochmals vertragt.
700.000-Euro-Klage
Auf anderer Ebene beschäftigt der Heimskandal auch noch das Gericht. Von den in Summe 150 Verdachtsmomenten gegen die Häuser, die eine eigens eingerichtete Sonderkommission feststellte, ist nichts übrig geblieben. Alle Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung, des Quälens wehrloser Personen, der Untreue und weitere wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Die Trägervereine der drei TG-Heime, die durch die Zwangsschließung bankrott gingen, haben deshalb beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Schadenersatzklagen in der Höhe von 700.000 Euro gegen die Sonderkommission eingebracht. Offen ist, ob es für den Mandatsbescheid zur Schließung eine rechtliche Grundlage gab.
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