Mittelpunkt: Kindeswohl
Die Niederösterreicherin Vanessa steht mittlerweile kurz vor dem Auszug, hinaus ins richtige Leben, in ein richtiges Zuhause. Sie ist dankbar für die Zeit, die sie mit ihrer kleinen Tochter im EKW verbringen konnte. „Hätte ich schon bei meinen anderen Kindern diese Unterstützung gehabt, wäre sicher vieles anders gekommen“, sagt die junge Frau mit den langen, braunen Haaren. Sie hat es in ihrem Leben bisher nicht leicht gehabt.
„Unsere Familien haben oft traumatische Erlebnisse hinter sich, Eltern wie Kinder“, sagt Gangl. Wenn dann zu viel zusammenkomme, könnten einzelne Faktoren – zum Beispiel finanzielle Probleme oder ein fehlendes Netzwerk – dafür sorgen, dass das System nicht mehr hält. „Dann sind wir eine gute Station“, ist Gangl überzeugt.
Sieben Wohneinheiten stehen in Hinterbrühl zur Verfügung, wo Eltern mit ihren Kindern bis zu zwei Jahre bleiben können und von Familienberatern unterstützt werden. Ziel ist es, dass die Eltern ihren Kindern nach dem Aufenthalt ein stabiles und sicheres Zuhause bieten können. Im Mittelpunkt steht dabei immer das Wohl des Kindes – und manchmal stellt sich heraus, dass eine Fremdunterbringung doch das Beste für die Kinder ist.
Die letzte Chance
Bei Vanessa war das nicht der Fall. „Das Jugendamt hat mir vorgeschlagen, ins EKW zu gehen. Und ich habe gesagt: ,Ja, klar, wenn ich dadurch die Chance habe, mein Kind zu behalten.‘“ Die ersten Wochen seien schwierig gewesen, erzählt die junge Frau. Vor allem das Gefühl, wieder „eine Hand über sich zu haben“. „Man darf nicht vergessen, das hier ist eben auch eine Zwangsmaßnahme“, sagt Gangl. Gerade bei Menschen mit traumatischen Erfahrungen sei das oft sehr heikel und erfordere vom EKW-Team viel Fingerspitzengefühl. Für die betroffenen Eltern sei es aber oft die letzte Chance, ihre Kinder nicht zu verlieren.
Deshalb gibt es auch einige Fähigkeiten, die sich die Eltern während ihres Aufenthaltes aneignen sollten. Für die einen sind das hauswirtschaftliche Themen – einen Einkaufsplan schreiben, kochen, Sauberkeit und Ordnung halten. Manche brauchen eher Hilfe bei Erziehungsfragen und Konfliktbewältigung. Bei anderen geht es um eine lebenspraktische Unterstützung wie Begleitung und Beratung bei Arztbesuchen und Amtswegen. Und wieder andere müssen lernen, für sich Grenzen zu setzen.
Große Ziele
Dabei brauchte auch Vanessa Hilfe. „Ich habe früher zu allem Ja und Amen gesagt, auch wenn es mir nicht gutgetan hat“, erinnert sie sich. Das sei jetzt anders. Durch die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre fällt es ihr heute auch leichter, Hilfe anzunehmen, bei Herausforderungen durchzuhalten und für etwas zu kämpfen. Sie gehe mit einem guten Gefühl in ihr neues Leben – aber sie werde auch einiges vermissen, sagt sie: „Die Unterstützung, das Wissen, dass es da Leute gibt, denen man vertrauen kann, die Gespräche.“
Im Herbst kommt Amelie in den Kindergarten, dann will die Niederösterreicherin auch an ihrem nächsten großen Ziel arbeiten: Einen Job im Einzelhandel. Bis dahin wird Vanessa die Nachbetreuung durch das Eltern-Kind-Wohnen Anspruch nehmen und weiter ihre Therapiestunden besuchen. „Ich bin froh, dass ich im EKW war. Ich habe dabei immer an mein Kind gedacht – und unsere Zukunft.“
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