Arbeitstraining im Arsos-Shop: Wo Jugendliche Durchhalten lernen

Mädchen räumt Regal ein
Die Startbedingungen ins Berufsleben sind nicht für alle gleich. Im Arbeitstraining der Arsos-Shops werden sozial benachteiligte Jugendliche auf diesem Weg unterstützt.

Im Hof hängen Skateboards an einer Bretterwand, auf ein Regal voller Skischuhe scheint die Wintersonne. „Drinnen ist es wärmer“, sagt Gerhard Haller und öffnet die Türe in die Verkaufsräume des Arsos-Shops in Guntramsdorf. Er arbeitet schon seit 26 Jahren für SOS-Kinderdorf, seit zwei Jahren ist er Kinderdorfleiter in Guntramsdorf. Und er ist stellvertretender Leiter des Arsos-Arbeitstrainings.

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Auf den ersten Blick ist die Arsos-Filiale in der Guntramsdorfer Kirchengasse ein ganz normales Second-Hand-Geschäft, wie es das Herz von Vintage-Freunden höherschlagen lässt. Links neben dem Eingang steht ein Klavierflügel vor einer bunten Bücherwand, ordentlich in Kartons sortiert finden sich Duplosteine und Ponyfiguren. Kleidung liegt und hängt nach Größen geordnet in den Regalen, in Vitrinen steht Augarten-Porzellan.

Volle Vitrinen im Geschäft

Volle Vitrinen im Geschäft

Doch das Projekt, das von SOS-Kinderdorf betrieben wird, hat auch eine wichtige soziale Komponente: „Auf der einen Seite haben wir Menschen, die uns spenden, was sie nicht mehr brauchen. Auf der anderen sozial benachteiligte Jugendliche, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Und aus diesen beiden Zutaten ist das Projekt entstanden“, erzählt Haller.

Denn in den drei niederösterreichischen Arsos-Filialen arbeiten derzeit sechs Jugendliche, die selbst in einem Kinderdorf oder in einer der dazugehörigen Wohngruppen leben oder dort aufgewachsen sind.

Arbeitstraining im Arsos-Shop: Wo Jugendliche Durchhalten lernen

Routine lernen

Ihnen, die einen schwierigen Start ins Leben hatten, soll das einjährige Arbeitstraining dabei helfen, den anschließenden Sprung in die Lehre oder in einen Beruf zu schaffen. Die Hürden dafür sind für sie oft hoch – trotz ihres jungen Alters. Manche haben eine psychische Beeinträchtigung, anderen fehlt der Schulabschluss: „Sie sind bei uns, weil sie nicht so weit stabilisiert sind, dass sie einen Beruf ausüben können“, erklärt Haller. Dafür müssten sie erst an eine funktionierende Tagesstruktur gewöhnt werden.

Gerhard Haller im Arsos-Shop in Guntramsdorf

Gerhard Haller im Arsos-Shop in Guntramsdorf

Überhaupt geht es im Arbeitstraining viel um Struktur, Ordnung und Regelmäßigkeit. „Routine ist die Essenz“, sagt Haller. „Die Jugendlichen lernen hier, dass eine Tätigkeit sinnvoll sein und Spaß machen kann – und dass es auch darum geht, Sachen durchzuhalten.“ Zur Arbeit bei Arsos gehören dabei neben den Shoptätigkeiten auch Wohnungsräumungen und Grabpflege.

Erfolgserlebnisse

Rund 300 Jugendliche haben das Programm seit seinem Start im Jahr 1998 durchlaufen. Mit Erfolg. Ab und zu kämen „Ehemalige“ zu Besuch, erzählt Haller: „Erst vor ein paar Wochen war ein junger Mann hier, der vor drei Jahren bei uns war. Mit ihm war es damals ganz schön schwierig, er konnte kaum die Konzentration halten, hatte keine Motivation. Aber er hat uns mit seiner jungen Familie besucht, erzählt, dass er einen festen Job hat, eine Wohnung, ein stabiles Umfeld. Da sieht man dann wieder, wie wichtig die Arbeit hier ist.“

Puppen im Verkaufsraum

Auch Puppen gibt es hier zu kaufen

Zum aktuellen Team gehört die 15-jährige Lucy. Ihre Augen sind dunkel geschminkt, sie ist auch sonst ganz in Schwarz gekleidet, auf den dunklen Haaren sitzt eine Haube. Seit November arbeitet sie im Shop in Guntramsdorf – und es gefällt ihr hier. Einen Monat verbrachte sie davor am Standort in Traiskirchen, als einzige Jugendliche.

Eines habe sie dabei ganz klar über sich gelernt, sagt sie: „Ich kann einfach nicht alleine arbeiten, mir fällt das schwer. Hier sind wir vier Jugendliche und wir verstehen uns gut.“ Ihr schönstes Erlebnis bisher bei Arsos? „Einmal habe ich ein Brautkleid anprobiert, magst du es sehen?“, fragt sie und scrollt durch das Fotoalbum auf ihrem Handy.

Zwei Burschen heben eine Kiste auf ein Regal

Die Jugendlichen verstehen sich gut

Ihren Kollegen Leon wiederum zieht es eher nach draußen. Der 16-Jährige mit dem freundlichen Gesicht und den hellbraunen Haaren ist seit September hier. „Am besten gefällt mir im Frühling und Herbst die Grabpflege, weil man im Freien arbeiten kann.“ Frische Blumen setzen, die Grabstellen verschönern, über die Pflanzen lernen – sein Traum wäre eine Lehrstelle in einem Gärtnerbetrieb. Bis das klappt, arbeitet er bei Arsos.

Die fabelhafte Welt

Von Kundenseite kämen sehr positive Rückmeldungen zu den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sagt Haller. „Sie schätzen ihre Freundlichkeit und ihr Engagement.“ Nicht unwichtig für ein Projekt, das sich zum Großteil über die Einnahmen finanziert. „Wir brauchen natürlich auch Leute, die bei uns einkaufen, das sichert das Projekt.“

Als die Gruppe von einem Hofrundgang ins Geschäft zurückkommt, ist dieses von Klaviermusik erfüllt. Lucy hat sich an den Flügel gesetzt und spielt ein Stück aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Als der letzte Ton verklungen ist, bricht Jubel und Applaus aus. Lucy lächelt stolz.

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