Routine lernen
Ihnen, die einen schwierigen Start ins Leben hatten, soll das einjährige Arbeitstraining dabei helfen, den anschließenden Sprung in die Lehre oder in einen Beruf zu schaffen. Die Hürden dafür sind für sie oft hoch – trotz ihres jungen Alters. Manche haben eine psychische Beeinträchtigung, anderen fehlt der Schulabschluss: „Sie sind bei uns, weil sie nicht so weit stabilisiert sind, dass sie einen Beruf ausüben können“, erklärt Haller. Dafür müssten sie erst an eine funktionierende Tagesstruktur gewöhnt werden.
Überhaupt geht es im Arbeitstraining viel um Struktur, Ordnung und Regelmäßigkeit. „Routine ist die Essenz“, sagt Haller. „Die Jugendlichen lernen hier, dass eine Tätigkeit sinnvoll sein und Spaß machen kann – und dass es auch darum geht, Sachen durchzuhalten.“ Zur Arbeit bei Arsos gehören dabei neben den Shoptätigkeiten auch Wohnungsräumungen und Grabpflege.
Erfolgserlebnisse
Rund 300 Jugendliche haben das Programm seit seinem Start im Jahr 1998 durchlaufen. Mit Erfolg. Ab und zu kämen „Ehemalige“ zu Besuch, erzählt Haller: „Erst vor ein paar Wochen war ein junger Mann hier, der vor drei Jahren bei uns war. Mit ihm war es damals ganz schön schwierig, er konnte kaum die Konzentration halten, hatte keine Motivation. Aber er hat uns mit seiner jungen Familie besucht, erzählt, dass er einen festen Job hat, eine Wohnung, ein stabiles Umfeld. Da sieht man dann wieder, wie wichtig die Arbeit hier ist.“
Zum aktuellen Team gehört die 15-jährige Lucy. Ihre Augen sind dunkel geschminkt, sie ist auch sonst ganz in Schwarz gekleidet, auf den dunklen Haaren sitzt eine Haube. Seit November arbeitet sie im Shop in Guntramsdorf – und es gefällt ihr hier. Einen Monat verbrachte sie davor am Standort in Traiskirchen, als einzige Jugendliche.
Eines habe sie dabei ganz klar über sich gelernt, sagt sie: „Ich kann einfach nicht alleine arbeiten, mir fällt das schwer. Hier sind wir vier Jugendliche und wir verstehen uns gut.“ Ihr schönstes Erlebnis bisher bei Arsos? „Einmal habe ich ein Brautkleid anprobiert, magst du es sehen?“, fragt sie und scrollt durch das Fotoalbum auf ihrem Handy.
Ihren Kollegen Leon wiederum zieht es eher nach draußen. Der 16-Jährige mit dem freundlichen Gesicht und den hellbraunen Haaren ist seit September hier. „Am besten gefällt mir im Frühling und Herbst die Grabpflege, weil man im Freien arbeiten kann.“ Frische Blumen setzen, die Grabstellen verschönern, über die Pflanzen lernen – sein Traum wäre eine Lehrstelle in einem Gärtnerbetrieb. Bis das klappt, arbeitet er bei Arsos.
Die fabelhafte Welt
Von Kundenseite kämen sehr positive Rückmeldungen zu den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sagt Haller. „Sie schätzen ihre Freundlichkeit und ihr Engagement.“ Nicht unwichtig für ein Projekt, das sich zum Großteil über die Einnahmen finanziert. „Wir brauchen natürlich auch Leute, die bei uns einkaufen, das sichert das Projekt.“
Als die Gruppe von einem Hofrundgang ins Geschäft zurückkommt, ist dieses von Klaviermusik erfüllt. Lucy hat sich an den Flügel gesetzt und spielt ein Stück aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Als der letzte Ton verklungen ist, bricht Jubel und Applaus aus. Lucy lächelt stolz.
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