Giftanschlag und Fall Fritzl: Ein Vollblut-Kieberer auf Mörderjagd

Hannes Steinbichler ist seit April der oberste Mordermittler in Niederösterreich
Lebenslang! Ein Blick auf die Galerie an der Bürowand von Hannes Steinbichler lässt in etwa erahnen, was der 58-jährige Vollblut-Kieberer in bislang 43 (!) Dienstjahren alles erlebt hat. Hinter Glas gerahmt findet sich ein Auszug der spektakulärsten und gleichzeitig abscheulichsten Verbrechen, an deren Klärung er maßgeblich beteiligt war. 2008 haben Steinbichler und sein Team dafür gesorgt, dass der Mon-Chéri-Giftanschlag auf den Spitzer Bürgermeister Hannes Hirtzberger gesühnt wurde. Der Täter Helmut O. bekam lebenslang.
Vom Lehrling zum Mordchef
Seit wenigen Tagen ist Hannes Steinbichler der neue Leiter der Mordgruppe im Landeskriminalamt (LKA) NÖ. 22 Jahre ist er schon bei der Einheit. Er war 15 Jahre alt, als er damals 1982 die dreijährige Lehrlingsausbildung bei der Bundesgendarmerie begann. 1.500 Schilling waren sein erstes „Lehrgeld“, erinnert er sich.
Sein Wunsch, vor allem Schwerverbrechern das Handwerk zu legen und spannende Kriminalfälle zu lösen, hatte ihn bald zum Kriminaldienst in Vösendorf und 2002 weiter zur damaligen Kriminalabteilung gebracht.
Auch wenn man in dem Job nicht zart besaitet sein sollte, gibt es immer wieder Fälle, die unter die Haut gehen. Josef Fritzl sei ein ganz spezieller Fall gewesen. Oder als 2019 im Anton-Wodica-Park in Wiener Neustadt der 19-jährige Syrer Yazan A. die 16-jährige Manuela erdrosselte und ihre Leiche schändete. "2019 war eine Art Horrorjahr mit sehr vielen weiblichen Opfern“, erklärt Steinbichler.

Ehrung durch Innenminister Gerhard Karner nach einem vereitelten Auftragsmord
Spurensicherung, Forensik und Gutachter
Um Gewaltverbrechen, welcher Art auch immer, zu klären, kommt es laut dem Chefinspektor vor allem auf die Teamarbeit an. "Ein Geständnis zählt heute nichts, weil es oft widerrufen wird. Es braucht Beweise, die auch vor Gericht halten.“
Deshalb sei das Zusammenspiel zwischen Mordermittlern, den Tatort-Spezialisten des Landeskriminalamtes, Gutachtern und Forensikern das Um und Auf. Der elektronische Fingerabdruck, den jeder Mensch mittlerweile unwillkürlich hinterlässt, hat auch die Ermittlungsarbeit revolutioniert und deutlich verändert, so Steinbichler.
Gewalt an Frauen ist ein strukturelles und riesiges gesamtgesellschaftliches Problem. Als im Jahr 2019 in Österreich 39 Frauen bzw. Mädchen ermordet wurden und 22 einen Mordversuch knapp überlebten, kochte die öffentliche Debatte über das Thema hoch. In der Bilanz dieses "schwarzen Jahres“ scheinen in Niederösterreich 13 Tötungsdelikte mit zwölf ermordeten Frauen, zwei Kindern und einem Mann auf.
Auch wenn in dieser Zeit der Überbegriff Femizid für das Töten einer Frau geprägt wurde, differenzieren Kriminalisten wie Chefinspektor Hannes Steinbichler und die Mordermittler zwischen den einzelnen Taten. Als Femizid klassifizieren die Kriminalisten das Töten von Frauen aufgrund ihres Geschlechts.
Wie ein Blick in die Statistik zeigt, wurden 2019 in Niederösterreich acht Morde vom Landeskriminalamt als Intimizid eingestuft, also die Tötung eines Intimpartners. Nur in einem einzigen Fall war das Opfer männlich. Dazu kamen zwei Matrizide, wie die Ermittler die Ermordung der eigenen Mutter oder Großmutter bezeichnen. "Es sind ganz andere Beweggründe und Motive, warum jemand seine Ehefrau oder Intimpartnerin oder die eigene Mutter tötet. Man kann das ganz klar unterscheiden und das machen wir auch“, schildert Steinbichler.
Als Familizid klassifizieren die Kriminalisten jene Fälle, bei denen ein Täter den Rest der Familie ausrottet. Patrizid ist der Begriff für die Tötung des eigenen Vaters bzw. Großvaters, Androzid die Tötung von Männern und Gerontozid die Ermordung älterer Menschen.
Puls von 157 bei der Bluttat
Handy- oder GPS-Daten sind heute nicht mehr wegzudenken, wenn es um die Datenforensik geht, wie ein Fall der jüngeren Vergangenheit exemplarisch zeigt: Die im Hintergrund gespeicherten GPS-Daten seiner Smartwatch sind einem 64-jährigen Unternehmer 2022 beim Mord an seiner Ehefrau in einem schmucken Seehaus in Oberwaltersdorf zum Verhängnis geworden.
In Steinbichlers Büro hängt noch das Zeit-Weg-Diagramm mit den Daten der Sportuhr von dem Fall. Sie widerlegten das Alibi, das sich der Täter versucht hat zurechtzulegen. Die Uhr zeichnete jeden Schritt und die Pulsfrequenz in der Tatnacht auf. Es wurde dokumentiert, wie der Täter über die Stiegen ins Schlafzimmer seiner Frau ging und fast 20-mal mit einem Spitzmeißel auf sein Opfer einschlug. Mit einem Puls von 157 Schlägen. Bei der Einvernahme durch die Kripo schlug sein Herz nachweislich schneller.
Makaberes Detail: Jeder Hieb wurde von der Uhr am Handgelenk als Treppenschritt gespeichert. Auch in diesem Fall steht ein "lebenslang“ in der Klärungsstatistik von Steinbichlers Team.

Lebenslang für den Mord an der Ehefrau in Oberwaltersdorf am Landesgericht Wiener Neustadt
AUA-Hagelflug und Skandale in Pflegeheimen
Aber es sind längst nicht mehr Tötungsdelikte alleine, die die Arbeit der Mordermittler ausmachen. In den vergangenen Jahren musste man sich beispielsweise intensiv mit den Missständen in Pflegeheimen auseinandersetzen. Bis auf eine kleine Gruppe von sadistischen Pflegekräften, die angeklagt wurden, war in den meisten Fällen Personalmangel die Ursache für die Vernachlässigung von Patienten.
Seit Wochen hält der Fall des AUA-Hagelfluges die Mordermittler auf Trab. Es gilt 200 Passagiere zu vernehmen und das Puzzle rund um den Flug im Juni 2024 mitten durch ein schweres Hagelunwetter über dem Wechsel zusammenzufügen.
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