Ein Präsident zum Zuprosten

Ein Präsident zum Zuprosten
Reinhard Zöchmann: Der Winzer aus dem Weinviertel ist der neue Weinbaupräsident Niederösterreichs

Niederösterreichs Winzer haben einen neuen Chef: Reinhard Zöchmann wurde bei der Delegiertenversammlung des nö. Weinbauverbands einstimmig zum Nachfolger von Langzeitpräsident Franz Backknecht gewählt. Und der Neue hat auch Neues vor.

Dabei hätte der berufliche Werdegang fast eine andere Richtung genommen, wie der Winzer aus Roseldorf (Bezirk Hollabrunn) erzählt. „Nach der Matura hat mich der Weinbau gar nicht interessiert.“ Statt in den elterlichen Weingarten führte ihn der Weg zur Agrarmarkt Austria, wo Zöchmann als Datenbank-Administrator werkte, sogar in Bulgarien war er für das Landwirtschaftsministerium tätig. Doch dann setzte sich doch die Liebe zum Wein durch.

Der Vater hatte zum Glück die Weingärten doch nicht gerodet und 2003 „habe ich dann meinen ersten eigenen Wein gemacht“, erzählt Zöchmann. Und das Winzerleben brachte „viel Spaß“ mit sich. Statt ursprünglich ein halber werden nun zwölf Hektar Weingärten bewirtschaftet, in Verkostungsraum und Kellerei wurde kräftig investiert und seit 2016 bewirtschaften Reinhard und Kathrin Zöchmann den Betrieb nach biologischen Richtlinien.

„Daneben“ ist Zöchmann in der Landwirtschaftskammer aktiv, der Landeskammerrat übernahm erst im vergangenen September den Vorsitz im Ausschuss für Wein- und Obstbau. Seine verschiedenen Blickwinkel sieht Zöchmann als Vorteil. Und er möchte „die Zusammenarbeit zwischen Weinbau, Tourismus, Kultur und Kulinarik verstärken“.

Ein Präsident zum Zuprosten

Lebendige Tradition: Die Familie Zöchmann bewirtschaftet Weingärten seit Generationen

Weinland NÖ

Vor allem international sei es auch sinnvoll, Wein aus Niederösterreich als solchen anzupreisen und zu vermarkten. Derzeit gibt es neun „Regionale Weinkomitees“ in NÖ und jedes macht Werbung für sich. „Den Regionen soll nichts weggenommen werden“, betont Zöchmann, aber das Weinland NÖ soll stärker ins Bewusstsein der Konsumenten rücken. In Kombination mit den kulturellen oder kulinarischen Angeboten des Landes. Am besten mittels einer neuen Organisation, Arbeitsname „Wein NÖ“. Die Stärke der NÖ-Weinregionen liege in ihrer Vielfalt und gerade diese soll vermarktet werden. Und zwar gemeinsam. „Ich will, dass sich unsere Winzerinnen und Winzer gehört fühlen und in die Arbeit des Weinbauverbandes noch intensiver eingebunden werden“.

Verstärkte Aufmerksamkeit kann der Weinbau gut gebrauchen, setzte das Corona-Jahr 2020 den Winzern doch stark zu. „Vor allem die Gastronomie geht massiv ab“, sagt Zöchmann. Da gab es Einbußen von bis zu 75 Prozent. Im Einzelhandel und im Ab-Hof-Verkauf hingegen konnte sogar ein Umsatz-Plus erzielt werden. „Es tut mir auch um den Jahrgang 2019 leid. Der war riesig, konnte aber nicht entsprechend präsentiert werden“, so Zöchmann. Man habe aber das Beste aus der Situation gemacht, die Landesweinprämierung etwa wurde trotzdem durchgezogen, die Sieger wurden aber eben Corona-bedingt nicht im Rahmen einer großen Gala, sondern online präsentiert. „Wir hoffen, dass es heuer besser wird, die Landesweinprämierung wurde jedenfalls schon Richtung Sommer verschoben“, sagt Zöchmann. Auch Aktionen wie Online-Weinverkostungen zeigen die Kreativität der Winzer.

Ein Präsident zum Zuprosten

Reinhard Zöchmann folgte als NÖ Weinbaupräsident auf Franz Backknecht, der diese Position 27 Jahre lang innehatte und nun Ehrenpräsident ist

Anpassungsfähig

Anpassungsfähig zeigt sich der Weinbau auch angesichts weiterer, ebenfalls unangenehmer Begleiterscheinungen. „Wenn wir einen Trend feststellen, dann den, dass Wetterkapriolen wie heftiger Hagel zunehmen“, sagt Zöchmann. Er glaubt zwar nicht, dass im Zuge eines Klimawandels die bestehenden Weinbaugebiete aufgelassen und etwa ins kühle Waldviertel ausgewichen werden muss. „Im Trend sind aber widerstandsfähige Sorten wie der Blütenmuskateller oder der Roesler. Auch etliche Neuzüchtungen wie der Donauriesling stehen vor der Zulassung.“ Man brauche aber nicht befürchten, dass bekannt-beliebte Klassiker deswegen verschwinden.

Und was trinkt der Weinbaupräsident selbst am liebsten? Als Weinviertler natürlich „einen Grünen Veltliner. Mir taugt er einfach“, sagt Zöchmann lachend. Manchmal kommt auch ein Keltenwein ins Glas. Ist Zöchmann doch auch Obmann des örtlichen „Forum Sandberg“, das sich mit der reichen Geschichte des Ortes befasst. In Erinnerung an die antike Keltensiedlung am Sandberg nennen sich sechs Betriebe „Keltenwinzer“, darunter Zöchmann. Bei Ausgrabungen gefundene Traubenkerne zeigen, dass die alten „Roseldorfer“ schon vor 2.500 Jahren dem Wein zugetan waren. Wenn das kein gutes Zeichen ist.

Kommentare