"Ehrenmord" im Helenental gilt nach 15 Jahren als geklärt
Es war eine regelrechte Hinrichtung: Ein Schuss ging ins Knie, einer durchbohrte das Herz und ein drittes Projektil schlug in einem Fahrzeug ein.
Anzor S., ein 22-jähriger Tschetschene, sackte am 6. April 2007 vor der Asylunterkunft neben der Cholerakapelle im Helenental (Bezirk Baden) leblos zusammen. Andere Asylwerber packten den blutüberströmten Mann und rasten mit ihm ins Spital. Doch er war nicht mehr zu retten. Er hinterließ damals eine im achten Monate schwangere Frau.
15 Jahre nach der bislang ungeklärten Bluttat scheint der Mord für die Kriminalisten endgültig geklärt. Der damals Hauptverdächtige in dem Kriminalfall wird durch neue Zeugenaussagen schwer belastet, der Todesschütze gewesen zu sein. Der damals 29-jährige tschetschenische Landsmann hatte sich wenige Tage nach der Bluttat der Polizei ins Salzburg gestellt, weil er Wind davon bekommen hatte, dass nach ihm gefahndet wurde.
Keine Anklage
Obwohl sich die Kriminalisten fast sicher waren, dass er mit dem Mord in Verbindung steht, war die Suppe damals zu dünn für eine Anklage. Der Verdächtige bestritt jeden Zusammenhang, bis heute fehlt auch die Tatwaffe. Der Tschetschene wurde nach einiger Zeit in U-Haft schließlich freigelassen, zu einer Anklage kam es nicht. Er tauchte kurz darauf unter.
Zu Beginn des heurigen Jahres wurde der ungeklärte Akt durch Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Niederösterreich neu bewertet.
Die Kriminalisten sind vor allem im Zusammenhang mit dem geklärten Tschetschenen-Mord vor zwei Jahren in Gerasdorf tief in die Kreise der tschetschenischen Diaspora vorgedrungen. „Wir haben sehr viel Erfahrung gesammelt. Dadurch haben sich neue Erkenntnisse und Aussagen ergeben“, erklärt LVT-Chef Roland Scherscher.
Ehrenmord?
Demnach wird der heute 44-Jährige schwer belastet, die Bluttat aus gekränkter Eitelkeit begangen zu haben. Es soll sich um einen Ehrenmord gehandelt haben. Der Täter soll dem Opfer bei mehreren physischen Auseinandersetzungen unterlegen gewesen sein, weshalb er sich in seiner Ehre massiv gekränkt fühlte und schließlich zur Waffe griff – so die Annahme des Verfassungsschutzes.
Die Ermittler haben die Spur des 44-Jährigen bis in seine Heimat verfolgt. Obwohl seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt eine nationale und europäische Festnahmeanordnung gegen ihn erlassen wurde, ist er in Tschetschenien sicher. Die dortigen Behörden kooperieren nicht mit Österreich, was die Strafverfolgung anbelangt. Erst wenn er seinen Fuß nach Westeuropa setzen sollte, könnte er auch festgenommen werden.
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