Drasenhofen: Jugendliche berichten von angedrohter Gewalt
Jugendliche, die die vergangene Woche in der Unterkunft in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) für „auffällige“ unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verbracht haben, berichten unabhängig voneinander von Beschimpfungen im Quartier. So seien sie von privaten Sicherheitskräften „Hurensöhne“ genannt worden. Auch Schläge mit der Faust und Abschiebungen seien angedroht worden, berichtet die Gemeinschaft „Fairness-Asyl“.
Auch S. beschreibt einen rauen Umgang in Drasenhofen. „Ich musste zum Beispiel immer um sechs Uhr in der Früh zum Frühstück kommen, auch wenn ich gar nichts essen wollte“, erklärt der Iraker in einwandfreiem Deutsch. Doro Blancke von „Fairness-Asyl“ schreibt in einem offenen Brief an FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl, dessen Idee Drasenhofen war: „Durch Ihre Fehler ist ein seelischer Schaden entstanden, der nicht einfach ignoriert werden darf und kann. Eine Retraumatisierung kann lebenslange Schäden mit sich bringen.“ Alle Jugendlichen, die in Drasenhofen untergebracht waren, würden wieder traumatisiert werden.
"Kein gutes Einvernehmen"
„Es geht auch um die Frage, wer die Securitys vor Ort kontrollierte, wenn keine Exekutive da war. Das war ein rechtsfreier Raum“, sagt Blancke. „Was mich erschreckte, war, wie auch mit mir umgegangen wurde, als ich vor Ort war. Ich bin eine ältere Frau mit grauen Haaren und werde angeschrien“, beschreibt sie. Zwei, drei Securitys vor Ort hätten sich auch korrekt verhalten, fügt sie hinzu.
Auch die Caritas bestätigt, dass die Beschimpfungen der Securitys mehrmals von den Jugendlichen thematisiert wurden. „Es hat kein gutes Einvernehmen mit der Leitung und dem Personal vor Ort gegeben“, heißt es. Blancke verlangt in ihrem offenen Brief, einen Weg der Wiedergutmachung zu beschreiten. „Es wurde psychologischer Druck mit Gewaltandrohung ausgeübt.“ Dem Büro Waldhäusl ist dazu nichts bekannt.
Hausarrest für Jugendliche in Asylunterkunft Drasenhofen
8500 Euro pro Monat
Wie SPÖ-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig im ORF-Radio bestätigte, war in Drasenhofen aber der übliche Tagsatz von 95 Euro für die Versorgung vorgesehen plus 188 Euro pro Bewohner für das Sicherheitskonzept - also 283 Euro pro Tag und Kopf und somit rund 8500 Euro pro Jugendlichem im Monat.
Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner kommentiert dies auf Facebook so: "Kurz nachgerechnet: Der Betreiber hätte für 25 eingesperrte Jugendliche pro Jahr mehr als 2,5 Millionen Euro bekommen sollen. Das wäre mehr als das 3-fache als üblich."
Traumata
Eva Pritz, Leiterin der Sigmund Freud Universität (SFU) Ambulanz, erklärt bezüglich Traumata: „Schon ‚normale’ Umstände sind für Flüchtlinge retraumatisierend." Und: „Wenn Flüchtlinge hierher kommen, sind sie nicht unbedingt in Sicherheit. Sie sind einer Bürokratie ausgesetzt, die Unsicherheiten bringt. Auch die Unterbringungen mit mehreren Fremden im selben Raum sind oft schwer aushaltbar. Hinzu kommt ein kultureller Schock.“
Die Situation in Drasenhofen – das Gefühl des Eingesperrtseins durch den Zaun und den Stacheldraht, sowie den begrenzten Ausgang – habe als potenzierender Faktor gewirkt. „Traumatisierungen äußern sich durch Schlafstörungen, psychosomatische Störungen, Panikattacken, Depressionen, Suizidalität“, sagt sie.
Korrigierende Erfahrungen notwendig
„Jugendliche in dem Alter haben die wichtige Entwicklungsaufgabe der Identitätsfindung. Sind sie schon traumatisiert, wird dieser Prozess erschwert. Jetzt sind sie auch noch in dieser Eingesperrten-Situation, was langfristig schwerwiegende Beeinträchtigungen der Lebensentwicklung bedeuten kann“, sagt auch Brigitte Sindelar, Leiterin der Kinder- und Jugendpsychotherapie der SFU. Es handle sich um einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsentwicklung, welcher es auch erschwere, sich wieder in der Gesellschaft einzufinden. „Sie brauchen nun ein Übermaß an korrigierender Erfahrung.“
Die Grünen in NÖ sagten am Mittwoch, dass sie einen Untersuchungsausschuss zur Causa Drasenhofen wollen. Die Neos werden diesem zustimmen. Die SPÖ macht es Sinn, "darüber zu beraten", da sie sich "vollste Aufklärung" wünschen. Die VP NÖ ortet hingegen einen "skurrilen Angriff".
Die Organisation Asylkoordination Österreich forderte unterdessen, dass die Landesrätin für Jugendwohlfahrt wieder für alle Kinder und Jugendliche zuständig ist.
Kommentare