Um Blut geht es auch bei Unfallopfer Michaela. Einen Sturz mit dem Fahrrad soll sie gehabt haben, samt Platzwunde, Abschürfungen und einem offenen Bruch am Handgelenk. Deshalb ist auch die aufgeschnittene Beule aus Wachs geformt. „Jetzt arbeite ich mit Farbe und öffne die Wunde etwas“, erklärt Suanne, während sie die Wundränder auseinander drückt und helles (frisches) sowie dunkles (getrocknetes) Kunstblut aufpinselt. Dann wird ein Bluterguss mit blauer und roter Farbe geschminkt und kommt Erde auf die „Abschürfung“.
Professionalisierung
2002 hat Susanne den ersten Kurs für die Ausbildung besucht. „Ganz am Anfang haben wir mit Uhu und Fensterkit gearbeitet“, erzählt sie. In den 2000er-Jahren – auch im Zuge der vielen Übungen vor der Fußball-Europameisterschaft 2008 – professionalisierte sich die Sparte. Inzwischen wurden beim Roten Kreuz NÖ 366 „Realistiker“ ausgebildet. Laufend gibt es Fortbildungen.
Vom Steinbruch-Unglück mit Verschütteten bis zu Zugunfällen – pro Jahr werden zwei Landesgroßübungen sowie eine Bundesrettungsübung durchgeführt. Dazu kommen kleinere Szenarien in den einzelnen Bezirken.
Alle Übungen werden von langer Hand geplant. Gemeinsam mit dem Übungsleiter schauen sich die Realistiker das Übungsgelände an, entscheiden, wo welche Verletzten liegen werden. Bis zu fünf Darsteller in einer Stunde kann Susanne für eine Übung schminken.
„Schnittwunden machen Spaß. Amputationen finde ich auch recht spannend. Oder Bauchverletzungen, wenn die Darmschlingen heraushängen“, erzählt sie. Dafür würden Taschentücher oder spezielle Prothesen verwendet. Es gibt quasi nichts, was nicht geschminkt werden kann. Es sei nur eine Frage des Budgets, meint die Freiwillige.
Brausepulver für Lungenverletzungen
Auch Lungenverletzungen können simuliert werden. Da wird Brausepulver ins Blut gemischt, um die charakteristischen Luftbläschen zu bekommen. Susanne selbst war 15 Jahre lang auch als Sanitäterin tätig. „Der Rettungsdienst hilft bei den Wunden sehr. Ich schaue da schon genauer hin.“ Nachsatz: „Perverserweise.“
Direkt vor der Übung müssen sich die Verletzten auf ihre Positionen begeben. Erst dann wird das Kunstblut aufgetragen. Es muss ja in die richtige Richtung fließen. Übrigens wird den Opfern auch gesagt, wann sie schreien oder bewusstlos werden sollen.
Bekommt ein Darsteller echte medizinische Probleme, ruft er „Stop! No Play!“. Dann wissen die Kollegen, dass aus der Übung ernst wurde. Das kann vorkommen, immerhin müssen die „Verletzten“ mitunter stundenlang am kalten Boden ausharren. Sie werden aber genau überwacht.
Die Fähigkeiten der Realistiker sind aber nicht nur beim Roten Kreuz nachgefragt. Sondern rund um Halloween auch privat. Und das, obwohl die Farben abfärben und schlecht abwaschbar sind. Manche Darsteller, erzählt Susanne, hätten unter der Dusche sogar zu Waschmittel greifen müssen.
„Opfer“ Michaela hatte da mehr Glück. Bei ihrer Platzwunde reichen Babytücher und Make-up-Entferner.
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