Der Wald frisst Kulturland auf

Annaberg im Vergleich: Gegenüber dem Jahr 1950 zeigte sich bereits 2015 eine deutliche Ausbreitung des Waldes rund um den Ort
Als Energie- und Rohstofflieferant, als sauerstoffspendende Erholungszonen und auch als Jagdreviere sind die heimischen Wälder hochgeschätzt. Erreicht die Bewaldung menschlicher Lebensräume allerdings 90 Prozent der Fläche, stellt sich bei den Bewohnern Unbehagen ein, wie Studien belegen. In den Gemeinden des Naturparks Ötscher-Tormäuer läuft ein Leitprojekt, das diese Problematik aufgegriffen hat.
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Gaminger Bürgermeisterin Renate Rakwetz
„Das Thema Wald ist positiv besetzt. Aber niemand hier will, dass alles zuwächst“, bestätigt die Annaberger Bürgermeisterin Claudia Kubelka die Dringlichkeit des Themas. Als Rückzugsort seien die heimischen Forste natürlich bei Einheimischen und Gästen sehr geschätzt. Allerdings hätten auch Studien gezeigt, dass sich die Bevölkerung mit einem bewaldeten Anteil von 65 bis 70 Prozent am wohlsten fühle. In den Naturparkgemeinden Annaberg, Mitterbach, sowie Puchenstuben und Gaming beträgt dieser Anteil mittlerweile zwischen 80 und 90 Prozent.
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Waldreichster Bezirk
„Wir leben hier im Bezirk Lilienfeld, der der waldreichste in Niederösterreich, wenn nicht sogar in Europa ist“, sagt Kubelka. Immer wieder bekomme sie kritisches Feedback von Einheimischen und auch Touristen, berichtet die momentane Naturpark-Obfrau. Wichtig sei, bei Grundbesitzern das Bewusstsein zu stärken, wie wichtig die Wiesen und Almen für die Natur sind. Kostelka: „Und auch die Jagd braucht Freiflächen für das Hochwild.“
Ihre Amtskollegin Renate Rakwetz aus Gaming ist ebenfalls seit Jahren mit der Verwaldung konfrontiert. „Der Wald wächst immer näher an die Orte heran. Das ist sehr bitter, weil es auch ein Zeichen dafür ist, dass die Leute wegziehen“, sieht die Ortschefin einen Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung in der Region. Mit 244 Quadratkilometer ist Gaming nach Zwettl mit dem Truppenübungsplatz die zweitgrößte Gemeinde in NÖ. „88 Prozent unserer Fläche bestehen bereits aus Wald, das ist natürlich bedenklich“, sagt Rakwetz. Es sei ungemein wichtig, Grundeigentümer immer wieder mit dem Thema zu beschäftigten, damit landwirtschaftliche Gründe nicht zugepflanzt werden, sind sich Rakwetz und Kubelka einig.
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Zudem könnte der Klimawandel und damit auch die Gefahr für die vorherrschenden Fichtenbestände bald für noch mehr Druck sorgen. „Der Fichte droht in unserem Gebiet eine starke Dezimierung. Solange nicht klar ist, welche Baumarten wirklich in der Hitze besser bestehen können, verlangsamt sich auch das Aufforsten weiterer Flächen“, glaubt Rakwetz. Generell haben die Gemeinden aber keine juristische Handhabe gegen Waldpflanzungen.
Bewusstsein fördern
Um die Ausbreitung des Waldes langfristig auszubremsen, wird nun im Rahmen des Projekts „Stopp der Verwaldung im Naturpark Ötscher-Tormäuer“ eine Vorstudie zur aktuellen Situation erarbeitet. Gefordert wird das Vorhaben von der Naturschutzabteilung des Landes NÖ. Gleichzeitig werden Land- und Forstwirte sowie Gemeindevertreter in Workshops für die Problematik sensibilisiert, sagt Naturparkgeschäftsführer Florian Schublach.

Naturparkgeschäftsführer Florian Schublach
Beim Naturpark-Fest am 23. September in der Ötscherbasis in Wienerbruck ist die Verwaldung ebenfalls Hauptthema. Dort werden auch Erkenntnisse vergangener Jahre zu hören sein. „Dort, wo einmal Wald ist, muss laut Forstgesetz Wald bleiben“, erklärt Schublach. Denn: „Geht der Mensch, kommt der Wald“.
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