Hat man sich da etwas von anderen Bundesländern abgeschaut?
Nein, das war ganz neu. Wir sind innerhalb der Caritas die Exoten, keine andere Caritas hat so einen Dienst wie wir, wir sind die Einzigen mit der Zielgruppe psychisch Kranke. Aus keinem anderen Bundesland wäre mir so ein flächendeckendes Angebot bekannt. Da haben wir in NÖ eine gute Ausgangsposition. Es ist egal, in welchen PSD du rein gehst – in St. Pölten oder in Schwechat – da ist überall dasselbe drinnen. Wir kooperieren auch ganz stark mit den Kollegen (die Psychosoziale Zentren GmbH betreut NÖ Ost, Anm.). Ich finde, man kann auch mal sagen, wenn in NÖ wirklich was gelungen ist, und das ist etwas sehr Gelungenes.
Früher wurde man nach einem klinischen Aufenthalt einfach nach Hause geschickt?
Ja, das können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Da war ja Psychiatrie selber sehr stigmatisiert und schwer besetzt. Bestenfalls sind die Betroffenen isoliert bei sich zu Hause gesessen oder wurden irgendwo versteckt am großen Bauernhof. Da ist wirklich ganz viel im Sinne von ambulanter, sozialpsychiatrischer Versorgung passiert.
Werden die Kunden des PSD mehr? Und hat sich die Zielgruppe verändert?
Es sind jetzt zirka 3.500 Kunden – die Zahl ist relativ gleichgeblieben in den letzten Jahren. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir personalmäßig nicht mehr Ressourcen bekommen haben. 3.000 ist eigentlich schon der oberste Plafond, den man versorgen kann. Der Bedarf nimmt zu, das heißt aber nicht, dass die Menschen dann automatisch bei uns sind. Die Zielgruppe hat sich nicht geändert. Von Anfang an war der Auftrag des Landes NÖ, dass wir uns wirklich an die Schwächsten der Gesellschaft wenden und primär an Menschen mit einer psychiatrischen Diagnose oder in einer psychosozialen Notlage.
Wie wird man PSD-Kunde?
Wir begleiten, betreuen und beraten erwachsene Menschen. Wir führen keine Zwangsintervention durch, der, der kommt, kommt freiwillig. Der Dienst ist kostenlos. In den Beratungsstellen gibt es Sprechstunden, wo jeder zum Erstgespräch kommen kann. Der Betroffene entscheidet, ob und wie er unser multiprofessionelles Angebot in Anspruch nehmen möchte.
Wo gibt es im Feld der Versorgung noch Luft nach oben?
Wir haben in der Psychiatrie immer nur geschaut, dass man die, die eh schon stationär waren oder auffällig, weiterversorgt, aber haben nie etwas im Sinne von Prävention gemacht. Und ich sag das immer so ein bisschen vermessen: Im Kindergarten ist Zähneputzen großes Thema. Die bewegte Klasse, gesunde Jause – das ist in aller Munde, aber wer macht im Kinder- und Jugendbereich etwas zur psychischen Gesundheit? Wer arbeitet mit den Kindern zu Gefühlen? Da liegt in der Prävention für mich viel mehr Potenzial.
Wie sehr haben psychisch kranke Menschen mit Stigmatisierung zu kämpfen?
Stigma ist ein großes Thema. Die wichtigste Aufgabe hier: Einfach zu normalisieren. Wo ist der Unterschied zwischen krank und psychisch krank? Warum muss man da einen Unterschied machen? Warum kann ein Bandscheibenvorfall in jedes Spital einchecken und ein psychisch Kranker muss 100 Kilometer etwa nach Mauer fahren? Das trägt natürlich auch zum Stigma bei, das ist in Wirklichkeit eine Schlechterstellung in der Behandlung.
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