Coronavirus: Anfeindungen gegen Firma mit 800 Mitarbeitern

„Man versucht, 800 Arbeitsplätze und einen Betrieb zu retten, und muss sich dafür rechtfertigen und anfeinden lassen.“ Was Katharina List-Nagl seit Ausbruch der Corona-Krise erlebt, will sie möglichst schnell wieder abhaken. Die 39-jährige Unternehmerin ist Chefin des erfolgreichen Flugzeug- und Yachten-Ausstatters F/List mit Sitz im niederösterreichischen Thomasberg und Niederlassungen von Brasilien bis Melbourne. Aus einer 1950 gegründeten Tischlerei wurde in den vergangenen Jahren ein Luxusausstatter mit Weltruf.
Wie andere Industriebetriebe in Österreich erlebte Katharina List-Nagl mit ihrer Firma in den vergangenen Tagen ein Wechselbad der Gefühle – hin und her gerissen zwischen der Verantwortung gegenüber der Gesundheit aller Mitarbeiter, der Verpflichtung, allen Verträgen nachzukommen, und dabei die Beschränkungen der Regierung nicht zu verletzen.
Im Gegensatz zu anderen Sparten wie der Autoindustrie hat die Flugzeugbranche ihre internationalen Produktionen großteils aufrechterhalten, wodurch F/List vertraglich gezwungen ist, ihre Flugzeugkabinen und Interieur-Teile an Pilatus, Embraer, Bombardier oder FACC fristgerecht zu liefern. Trotz der Pandemie fand der Passus „Höhere Gewalt“, also die Klausel, mit der man empfindliche Pönalen eventuell abwenden hätte können, in den internationalen Handelsverträgen keinen Niederschlag.
Daher habe man die Produktion nicht aus Jux und Tollerei aufrechterhalten, „sondern weil wir gar keine andere Wahl hatten. Es gibt auch eine Zeit nach Corona, und als Betrieb unternehmen wir gerade alles Menschenmögliche, um auch in Zukunft Hunderten Mitarbeitern einen sicheren Job zu bieten“, erklärt List-Nagl.

Katharina List-Nagl
Dass es wegen der Fortführung des Betriebs in den vergangenen Tagen zu Anfeindungen und Diskreditierung in der Öffentlichkeit, speziell über soziale Medien, gekommen ist, bezeichnet die Unternehmerin als „verletzend und rufschädigend“. Der Firma wurde vorgeworfen, rein aus wirtschaftlichen Interessen die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden.
Umso ergreifender sei es gewesen, als sich bei der Belegschaft dadurch eine enorme Solidarität entwickelte. Mitarbeiter gingen in die Offensive, wehrten sich gegen die Angriffe und verteidigten den eingeschlagenen Kurs auch öffentlich.

F/List baut Luxus-Flugzeugkabinen
Notprogramm
Um die Mitarbeiter bestmöglich vor dem Corona-Virus zu schützen, wurden alle Produktionsabläufe umgestellt und auf das Nötigste beschränkt. Außerdem sind Mitarbeiter, die älter als 60 Jahre sind, Beschäftigte mit spezifischen Vorerkrankungen sowie der Großteil der Lehrlinge zu Hause. Ebenso arbeiten alle Bediensteten, die in den vergangenen Tagen aus dem Ausland heimgekehrt sind, für zwei Wochen im Homeoffice, wo sich mittlerweile auch ein Großteil der Büroteams befindet.
„Alle Maßnahmen wurden in Absprache mit der Arbeitsmedizinerin getroffen. Das Betriebsrestaurant wurde geschlossen. Stattdessen geben wir auf Firmenkosten Lunchpakete an alle aus. Den Mitarbeitern gebührt großer Dank für ihr Engagement“, sagt List-Nagl. Alle Kaffeeküchen und Automaten wurden stillgelegt, um Ansammlungen zu vermeiden.

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