Bub in Hundebox: Behörde in Erklärungsnot, Land droht Klage
20 Jahre Haft. So lautete das Urteil (nicht rechtskräftig) gegen jene Mutter, die ihren damals 12-jährigen Sohn im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und beinahe zu Tode gefoltert hat.
Dass dem Bub trotz zahlreicher Hinweise und Gefährdungsmeldungen von Ärzten und der Schule des Kindes nicht eher geholfen wurde, hat Zuhörer des Prozesses geschockt und sprachlos zurück gelassen. Wegen einer möglichen Fehleinschätzungen der Behörde droht dem Land NÖ deshalb nun sogar eine Amtshaftungsklage.
Diese Woche Dienstag ist die brisante Causa bereits Thema bei der Sitzung der Landesregierung. Die politischen Vertreter müssen darüber beraten, ob Abläufe und Prozesse bei der Jugendwohlfahrt dringend geändert werden müssen. Denn die Arbeit der zuständigen Sozialarbeiter der Bezirkshautmannschaft Waidhofen an der Thaya erscheint in keinem guten Licht, meint auch Opferanwalt Timo Ruisinger.
Lehrerin schlug zuerst Alarm
Wie im Prozess bekannt geworden ist, sollen die Misshandlungen des Buben im Spätsommer 2022 begonnen haben. Im Oktober wandte sich die Mutter demnach erstmals Hilfe suchend an die Kinder- und Jugendhilfe der BH. Kurz darauf erkannte eine Lehrerin die Unterernährung.
30 Kilo abgenommen
„Das Kind hatte rasch 30 Kilo abgenommen“, erklärt Ruisinger. Am 20. Oktober unterrichtete die Schule erstmals die BH. Geplagt von Hunger, versuchte der Bub in der Schule in einer Pause zehn Semmeln zu kaufen.
Mitschüler flehte er um ihre Jause an. Am 24. Oktober machte die Schule deshalb eine Gefährdungsmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft. Dort sah man allerdings anscheinend keinen dringenden Handlungsbedarf. Am 28. Oktober statteten Sozialarbeiter der Behörde Mutter und Kind einen Besuch ab.
Auf Anzeichen der angezeigten Unterernährung wurde dabei anscheinend aber nicht geachtet, auch der Kühlschrank wurde nicht kontrolliert, so Ruisinger.
Anzeige wurde liegen gelassen
Am 10. November schrillten im Krankenhaus die Alarmglocken, als der Bub wegen diverser Verletzungen behandelt wurde. Die Mutter verweigerte eine stationäre Aufnahme, worauf das Spital ebenfalls eine Gefährdungsmeldung einbrachte.
Eine Woche lang dürfte die Anzeige nicht einmal behandelt worden sein. Ob dies damit zu tun hatte, dass der Sachbearbeiter nur halbtags bei der BH beschäftigt war, wurde im Prozess nicht geklärt.
Kind fiel ins Koma
Laut Ruisinger erfolgte erst am 18. November eine weitere unangekündigte Kontrolle durch die BH. Obwohl dabei vermerkt wurde, dass der Bub am ganzen Körper zitterte und Verletzungen an den Händen aufwies, beließ man das Kind bei der Mutter. „Nur vier Tage später war der Bub komatös und in Lebensgefahr auf der Intensivstation. Es drängt sich die Frage auf, ob die Behörde das verhindern hätte können“, so der Opferanwalt.
Auffallend ist laut Aktenlage, dass die Sozialarbeiter bei den Kontrollen "bedenkliche Zustände" vermerkten, dies aber ohne Konsequenzen blieb. In den Protokollen finden sich Vermerke, wonach kein Kinderbett vorgefunden wurde, nur ein einziger Sessel vorhanden und es in der Wohnung eiskalt war. Beim Gespräch mit dem Buben habe dieser am gesamten Leib gezittert.
Vom Land NÖ wurde im vergangenen Jahr eine sechsköpfige Expertengruppe zur Prüfung des Falles eingesetzt.
Wie es aus dem Büro von Niederösterreichs Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) heißt, wurde aufgrund neuer, aus dem Gerichtsverfahren bekannt gewordener Details, die sich in der bisherigen Aktenlage nicht abgebildet hätten, eine neuerliche Prüfung des Falls veranlasst.
Der vorläufige Bericht der Kinderschutz-Kommission wird diese Woche in der Sitzung der Landesregierung behandelt. Im Anschluss solle die Öffentlichkeit darüber informiert werden.
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