Bootsunglück auf der Donau: Kein Geld für eines der Opfer
Eine 19-Jährige liegt immer noch im Koma. Auch andere der acht Mädchen, die im Rahmen des „Girl’s Day“ im September 2018 mit einem Pionierboot des Bundesheeres auf der Donau gekentert waren, werden vermutlich ein Leben lang an den Folgen des Unfalles leiden.
Eines dieser schwer traumatisierten Opfer wartet eineinhalb Jahre nach dem verheerenden Bootsunglück bei Hainburg (NÖ) immer noch auf Schadenersatz der Republik Österreich. Der Anwalt der jungen Frau, Julian Korisek, bereitet in diesem einen Fall gerade eine Klage gegen die Finanzprokuratur vor.
Zu dem Unglück war es gekommen, weil der Bootsführer durch die Bugwelle des Bootes vor ihm gefahren war und dabei einen Fahrfehler beging. Das Boot kippte. Mehrere Frauen waren durch den starken Auftrieb ihrer Schwimmwesten unter dem Boot gefangen und kämpften ums Überleben.
„Die Folgen sind ziemlich schwerwiegend. Meine Mandantin hat ein psychisches Trauma erlitten. Es hat sogar zu einer Zwangseinweisung in die Psychiatrie geführt“, erklärte Korisek bereits beim Strafprozess gegen den Bootsführer, der mit einer Diversion und einer Geldstrafe belangt worden war.
Todeskampf
Die junge Frau hatte in der Luftblase unterhalb des Bootes den Todeskampf von zwei weiteren Bootsinsassen miterlebt, die erst 39 beziehungsweise 45 Minuten nach dem Unglück zunächst leblos geborgen wurden und reanimiert werden mussten. Die 19-jährige Wienerin liegt immer noch unansprechbar auf der Intensivstation.
Eine 23-jährige Niederösterreicherin konnte diese erst nach Wochen verlassen und absolviert seither eine langwierige Rehabilitation.
Zumindest in diesen beiden Fällen wurden schon teilweise Schadenersatzzahlungen an die Familien der schwer verletzten Opfer geleistet. Dies bestätigt der Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn im Gespräch mit dem KURIER.
Über die Höhe der bereits geleisteten Zahlungen hüllt sich Peschorn in Schweigen. Gerade bei Opfern mit schwerwiegenden Dauerfolgen kommen auch in Zukunft Kosten für Berufsunfähigkeit oder Invalidität auf den Staat zu. Dem Grunde nach habe laut Peschorn die Republik bei der Wienerin und der Niederösterreicherin aber die Schadensersatzverpflichtung voll anerkannt.
Anwalt Julian Korisek hingegen muss um die Ansprüche seiner Mandantin mit der Republik jetzt streiten. „Sie hat in dieser Sache bislang noch immer keinerlei Schadenersatzleistung erhalten und wird von der Finanzprokuratur aus mir nicht ersichtlichen Gründen hingehalten. Dies obwohl sie nach wie vor therapeutisch und medikamentös behandelt werden muss und nicht mehr in der Lage ist, ihrem Studium nachzugehen“, erklärt der Anwalt gegenüber dem KURIER.
Finanzielle Einbußen
Dies sei für sie mit massiven finanziellen Nachteilen wie dem Verlust der Familien- und Studienbeihilfe sowie der Unterhaltsleistungen seitens des Vaters – da sie keiner Berufsausbildung mehr nachgeht – verbunden.
Das Opfer habe starke psychische Probleme aufgrund der Tatsache, dass es ihr nicht gelungen ist, die anwesenden Soldaten gleich davon zu überzeugen, dass sich noch weitere Eingeschlossene unter dem Boot befinden. Die Frau stelle sich die Frage, ob die Folgen für die beiden Schwerstverletzten vermieden hätten werden können, wenn sie vehementer darauf bestanden hätte, dass noch jemand unter dem Boot ist.
Langes Warten
Dass es in dem Fall auch nach eineinhalb Jahren immer noch keine finanzielle Lösung für die Teilnehmerin gibt, ist auch für Wolfgang Peschorn unbefriedigend. Nachdem die Schadenersatzforderungen eingereicht waren, habe die Finanzprokuratur zur Abklärung des Falles einen medizinischen Sachverständigen bestellt.
Dieser habe später abgesagt, was zu einer weiteren Verzögerung geführt habe. Erst vor wenigen Tagen, am 6. Februar, habe man nun Anwalt Julian Korisek einen neuen medizinischen Sachverständigen vorgeschlagen. „Wir bemühen uns um eine umfassende finanzielle Schadensbereinigung. Aber ein angemessenes Schmerzensgeld muss auch entsprechend von einem Sachverständigen festgestellt werden“, sagt Peschorn.
Messer für die Besatzung
Nach dem Bootsunglück auf der Donau hat das Bundesheer seine Lehren aus dem Zwischenfall gezogen. Das Unfallgeschehen fließt in die zukünftige Ausbildung aller Bootsführer des Heeres ein. Dazu hat man sich bei einem sogenannten „Wassergipfel“ im Verteidigungsministerium einen 14-Punkte-Plan auferlegt.
„Ab sofort ist das Fahren in Grenzsituationen im Rahmen der Ausbildung zu vermitteln“, erklärt Heeressprecher Michael Bauer. Zu diesem Zweck wird auch ein Heeres-Lehrgang für das „Fahren unter Gefechtsbedingungen, extremen Umfeld-Bedingungen und maximaler Beladung“ eingeführt.
Der Fahrbetrieb für Sturm- und Flachwasserboote sowie für Arbeits- und Transportboote ist in Zukunft ausschließlich auf den militärischen Betrieb eingeschränkt. Publikumsfahrten im Zuge von Veranstaltungen wird es damit keine mehr geben.
Alle Sicherheitsbestimmungen in Bezug auf das Kentern sowie die Rettungsabläufe werden überarbeitet, sagt Bauer. Im Rahmen des neuen Lehrgangs wird das Verhalten beim Kentern adaptiert und bereits ab der Wasserfahrgrundausbildung in den Lehrplan aufgenommen.
Weil die Opfer beim Bootsunglück aufgrund des starken Auftriebs der Rettungswesten unter dem Boot gefangen waren, wurde die Ausrüstung der Besatzung um ein Tauchmesser erweitert. Im Ernstfall soll die Crew damit die Rettungswesten schnell aufstechen bzw. herunterschneiden können.
Weil Angehörige der Opfer nach dem Unglück nur mangelhaft informiert wurden, soll auch die Krisenkommunikation verbessert werden. Dafür wird im Bedarfsfall eine Hotline aktiviert und Koordinierungsmaßnahmen angepasst.
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