Es wird ein Wein sein, und er wird bio sein
Die Weingärten rund um Höflein (Bezirk Bruck/Leitha) leuchten in herbstlichen Farben, Trauben hängen schon längst keine mehr an den Weinstöcken. Die Lese hat man heuer schon im Sommer, Ende August, erledigt, innerhalb von einigen Tagen. "Üblicherweise dauert das vier bis fünf Wochen, aber heuer ist alles explosionsartig reif geworden. Wir haben auch wegen der extremen Hitze schon um sechs in der Früh angefahren und so schnell waren wir noch nie fertig. Als der große Regen kam, lag schon alles im Keller. Das war schon ein bisserl verrückt“, erzählt Christina Netzl.
Weinbau ist ein "Freiluftsport“, über das Wetter kann man debattieren, aber man muss damit leben. Christina Netzl nimmt es gelassen: "Hier gab immer schon trockene Sommer mit bis zu vier bis sechs Wochen ohne Niederschlag. Aber die geringe Winterfeuchte tut den Reben mehr weh“, sagt die Winzerin.
Bewässert wird hier trotzdem nicht, was an den besonderen Böden liegt. Auf durchlässigem Donauschotter und Löss finden sich tonige Schichten, die die Feuchtigkeit zurückhalten. Wo die tief reichenden Wurzeln der Weinstöcke sie erreichen können. Um der zunehmenden Trockenheit entgegenzuwirken, ist zudem der Aufbau von Humus durch intensive Kompostarbeit erforderlich.
Rubin Carnuntum
Auf Veränderungen hat man in der Weinbauregion schon öfters (erfolgreich) reagiert. Heute ist man für die roten Leitsorten Blauer Zweigelt und Blaufränkisch bekannt. Der 1992 gegründete Verein "Rubin Carnuntum“, dem 34 Weingüter angehören, widmet sich dem gebietstypischen Zweigelt. Doch das war nicht immer so. "Mein Opa hat noch zu 95 Prozent Weißweine angebaut“, sagt Netzl. Der Schritt zum Roten zahlte sich aus.
Wenngleich der vor 20 Jahren herrschenden Trend zu tiefdunklen, schweren Roten keine so große Freude machte, aber "der Markt hat sich zu unserem Glück verändert. Es gab wieder einen Schritt zurück und der Rotwein kann wieder mehr Frische haben, was unser Stil ist“, so Netzl. Man sei froh, nicht alles umgestellt zu haben und die wieder stark gefragten Weißweine ebenfalls anbieten zu können. Jüngste Veränderung ist der nachhaltige Weinbau. Von den 830 Hektar Gesamtrebfläche des Weinbaugebietes Carnuntum entfallen 504 Hektar auf die Rubin-Carnuntum-Weingüter und mit dem Jahrgang 2024 werden 324 Hektar davon biologisch bewirtschaftet. Weitere folgen.
Bio-Boom
Warum? "Bio ist eine Lebenseinstellung, ich kaufe ja auch bewusst Bio-Lebensmittel“, sagt Winzer Peter Artner. Nach den Richtlinien gearbeitet habe man schon jahrelang. "Wir haben den Betrieb Schritt für Schritt umgestellt.“
Vor der offiziellen Registrierung habe man etwas zurückgeschreckt. "Das ist natürlich mehr Zettelwirtschaft, jährlich wird man geprüft“, sagt Artner. Durch den Verzicht auf übliche Herbizide und Pflanzenschutzmitteln "kann ich während der Saison auch nicht einfach für ein paar Tage wegfahren, sondern muss ständig hier sein“.
Bio hatte vor ein paar Jahren noch keinen so guten Ruf und war nicht unbedingt das, was man noch in der Schule gelernt hatte. „Viele schreckten auch zurück, denn was ist, wenn es nicht funktioniert?“, sagt Artner. „Ich habe mich diesen Sprung lange nicht getraut“, gibt Winzer Michael Auer zu. „Aber langfristig gesehen kann man sich nur so positionieren. In vielen Märkten braucht man sonst gar nicht anbieten.“
Das neue Denken und Handeln wirke sich merkbar auf den Wein aus. Die Trauben werden kleiner, lockerbeeriger und haben eine dickere Haut, was sie widerstandsfähiger gegen Pilze macht. Der Ertrag geht dadurch zwar zurück, aber die Trauben seien harmonischer in ihrer Reife und brauchen in der Kellerarbeit weniger Schwefel. Prost ohne bio kommt vielen nicht mehr in die Flasche.
Bio-Rebflächen in Österreich
Wie die jüngsten Zahlen aus dem Landwirtschaftsministerium zeigen, werden heuer erstmals über 10.000 Hektar der österreichischen Rebfläche zertifiziert biologisch bewirtschaftet: genau sind es 10.432 Hektar, also fast ein Viertel (24 Prozent) der Gesamtrebfläche. Damit ist Österreich bei umweltbewusster Weinproduktion weltweit ganz vorne dabei.
Schon 2022 lag Österreich laut dem Bericht „The World of Organic Agriculture 2024“ (FiBL & IFOAM) mit 21,5 Prozent Bio-Anteil auf Platz eins aller bedeutenden Weinbaunationen – noch vor Frankreich (20,7 %) und Italien (18,1 %). Auch andere Umwelt-Zertifizierungen sind hierzulande weit verbreitet: Mehr als jeder zehnte Bio-Weingarten wird biodynamisch bewirtschaftet (14 % der biologischen Rebfläche). Außerdem sind rund 25 % der österreichischen Rebfläche nach dem Gütesiegel "Nachhaltig Austria“ zertifiziert, bei dem über 380 Maßnahmen eines Betriebs – von der Weingartenbewirtschaftung bis zum Gewicht der Weinflaschen – bewertet werden.
Verkaufskriterium
"Österreichischer Wein genießt weltweit den Ruf, besonders umweltbewusst produziert zu werden – und das zurecht, wie die Zahlen zeigen“, sagt Chris Yorke, Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing GmbH (ÖWM). "Das kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch den Winzerinnen und Winzern selbst, denn in vielen Absatzmärkten sind umweltbewusste Zertifizierungen wichtige Verkaufsargumente, etwa in Skandinavien, Kanada oder den USA.“
Dass der Bio-Anteil so hoch ist, liege auch an der Struktur der heimischen Weinwirtschaft, erklärt Yorke: "95 Prozent unserer Weingüter sind Familienbetriebe. Ihr Ziel ist es, gesunde Weingärten von Generation zu Generation weiterzugeben. Im Durchschnitt bearbeiten unsere Winzerinnen und Winzer auch nur vier Hektar Rebfläche, das ist wenig im weltweiten Vergleich.“
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