Mit Fällen wie diesem ist der Leiter des NÖ Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Roland Scherscher, seit gut zehn Jahren intensiv konfrontiert. Auch das bosnische Brüderpaar (17 und 20 Jahre), welches mit dem möglichen Anschlag auf die Pride-Parade in Wien in Verbindung gebracht wird, lebt in St. Pölten.
Wieso immer Niederösterreich?
Aber wieso ist gerade der nö. Zentralraum eine so großer Schmelztiegel für islamistische Radikalisierung? Scherscher führt das zum einen auf die Einwanderungspolitik der vergangenen Jahrzehnte zurück. Durch Familienzusammenführungen sei eine große Community entstanden, speziell aus Ex-Jugoslawien und den Einwanderern aus Tschetschenien.
Und es gebe eine Gruppe bereits verurteilter Straftäter, die weiterhin konspirativ tätig sei und auch versuche, andere zu radikalisieren, so der Verfassungsschützer.
„Am anfälligsten sind junge Konvertiten, die schon hier geboren sind und kaum Erfahrung mit der Religion haben. Diese Gruppe ist leicht zu radikalisieren, das zeigen unsere Erfahrungen“, erklärt Scherscher.
Im heurigen Jahr sind bereits mehr als 20 Personen wegen Hinweisen und des Verdachts auf islamistischen Extremismus im Raum St. Pölten ins Visier des Verfassungsschutzes geraten, mehr als 80 Fälle waren es 2023 bislang niederösterreichweit.
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In jedem einzelnen Fall sei es zu einer Gefahrenerforschung und Risikoanalyse gekommen. „Bei etwa einem Drittel hat es auch zu strafrechtlichen Ermittlungen oder Anklagen geführt“, sagt Scherscher und nennt einen Fall, der im März bekannt geworden ist.
Bald Prozess
Ein 19-jähriger Nordmazedonier sitzt in St. Pölten seither in Untersuchungshaft, weil er am Bahnhof und an weiteren Plätzen in St. Pölten Graffitis mit IS-Bezug angebracht haben soll. Auch wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wurde ermittelt. Es soll demnächst zum Prozess kommen.
Auffällig ist laut Scherscher, dass die Zahl der Hinweise auf islamistische Gefährder deutlich zurück gegangen ist. „In der Zeit der IS-Hochblüte und der Terroranschläge in Europa sind weit mehr Hinweise eingelangt. Da hat schon ausgereicht, wenn jemand in arabischer Sprache telefoniert hat. Die Bevölkerung war sensibilisiert“, sagt der Chef des NÖ Verfassungsschutzes.
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