Alles unter einen Hut bringen: Die weibliche Seite des Weinbaus

Alles unter einen Hut bringen: Die weibliche Seite des Weinbaus
Vermeintliche Männerdomäne: Quereinsteigerin Birgit Artner über Doppelbelastung, typisch weiblichen Leistungsdruck und die große Freude am Job.

Seit einem Jahr ist Birgit Artner Vollerwerbsbäuerin. „365 Wein-Tage“, sagt sie und grinst. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie das Weingut Artner in Trumau (Bezirk Baden). Weinhauerin per se ist sie zwar keine – der Künstler sei ihr Mann – dafür ist die 37-Jährige für die Markenentwicklung, die Werbung und Umsetzung der Veranstaltungen verantwortlich.

Buchhaltung und der Einsatz hinter der Schank gehören ebenso dazu. „Reden, die Leute am Schmäh halten“, sagt sie. Kurzum: Ohne Birgit Artner würde der Betrieb nicht laufen.

Die Weinbranche, einst eine Männerdomäne, wird zunehmend weiblicher. Immer mehr Frauen übernehmen Betriebe, machen sich als herausragende Winzerinnen oder Unternehmerinnen einen Namen. Julia Herzog aus Bad Vöslau etwa, oder Christina Artner-Netzl aus Carnuntum. Birgit Pferschy-Seper aus Mödling gilt als Bio-Pionierin. Genaue Zahlen, wie viele Frauen bereits Betriebe führen gibt es allerdings keine.

Alles unter einen Hut bringen: Die weibliche Seite des Weinbaus

Seit einem Jahr ist Birgit Artner hauptberuflich im Weingut beschäftigt 

Spätberufene

Birgit Artner ist spätberufene Quereinsteigerin.

15 Jahre lang war sie im Backoffice eines großen Unternehmens tätig. Zusätzlich half sie im Betrieb mit, den ihr Mann 2005 gegründet hatte. Das werde von der Frau eines Bauern einfach erwartet, sagt die 37-Jährige. Als Artner 2016 nach der Geburt ihres Sohnes in Karenz war, beschloss das Paar, einen Heuriger zu eröffnen.

2020 bekam Artner dann eine furchtbare Diagnose: Brustkrebs. Betrieb, Job, Kind, eigene Bedürfnissen; nie das Gefühl alles gut genug zu machen, immer ein schlechtes Gewissen. „Das war das Zeichen, dass der Druck zu groß war“, sagt sie heute.

Nach ihrer Genesung kehrte sie nicht mehr in ihren Job zurück, stattdessen stieg sie voll in den Betrieb ein. Schwierig sei das zu Beginn gewesen. Vorher hatte Artner ihr eigenes Geld verdient, nun meldete sich bei Einkäufen immer wieder das schlechte Gewissen. Auch eigenverantwortlich zu arbeiten, fiel ihr schwer. Lang hatte sie auch das Gefühl, zu wenig zu leisten – typisch für Frauen. „Ich rufe mir dann in Erinnerung, dass nicht alles perfekt sein muss.“

Alles unter einen Hut bringen: Die weibliche Seite des Weinbaus

Im Weinsortiment findet sich auch „Die Blauburgerin“

Keinen Tag bereut

Mittlerweile hat die Vollzeitbäuerin ihren Platz gefunden. „Ich habe es keinen Tag, seit ich im Betrieb bin, bereut.“ Kind und Unternehmen unter einen Hut zu bringen, sei aber auch nicht leicht. „Man braucht ein Netz“, sagt sie. Ohne Eltern oder Schwiegereltern ginge es nicht. Und man müsse lernen, den Alltag anders zu organisieren, wenn das Wochenende für Familienaktivitäten wegfalle.

Leicht sei es nicht immer. „Wenn ich mir die Konten anschaue, die Teuerungen, die Energiekrise, denke ich schon manchmal, es wäre toll, heimzukommen, ein Gehalt zu kriegen und als Familie am Wochenende etwas zu unternehmen“, sagt Artner. „Aber dann muss man es sich halt richten.“

Gerichtet hat sie es sich. Im Vorjahr hat sich der Betrieb auf Hochzeitsfeste spezialisiert, auch heuer stehen schon wieder sieben Feiern an. Auch ein spezielles Wein- und Käse-Event hat Artner ins Leben gerufen. Für heuer hat sie ebenfalls neue Ideen. Teambuilding-Events mit Verkostung im Wein-Keller etwa, oder ein Open-Air -Vino-Kino samt Picknickkorb. „Wir sind ein junges Weingut und haben den Pluspunkt, dass wir uns an keine Traditionen halten müssen. Auf der anderen Seite müssen wir erst Kunden aufbauen“, meint Artner.

Einen anderen Job kann sie sich jedenfalls nicht mehr vorstellen. „Ich bin nun sogar ein Montagsmensch geworden“, sagt sie schmunzelnd.

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