Das „Mini-Dubai“ von Niederösterreich, wie es von manchen spöttisch genannt wird, ist am Ortsende von Grafenwörth zu finden. Dutzende Bauarbeiter errichten hier – 35 Minuten von der Wiener Stadtgrenze entfernt – einen neuen Ortsteil. „Ein Lebensraum voll Qualität, in dem sich Mensch und Tier wohlfühlen“ werde entstehen, verspricht das zuständige Maklerunternehmen blumig.
Baustellentourismus
Einige der insgesamt 207 Häuser, die an einem 36.000 Quadratmeter großen Foliensee liegen, sind bereits bezugsfertig. „Wir sind mit der Nachfrage sehr zufrieden“, sagt ein Mitarbeiter des Bauträgers VI-Engineers GmbH & Co KG. Die teuersten Objekte sind ab 575.000 Euro zu haben.
Das Großprojekt im kleinen Grafenwörth ist mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus bekannt. So bekannt, dass sich sogar ein Baustellentourismus entwickelt hat. „Ich wollte die Häuser, die ich bislang nur in der Zeitung gesehen habe, in echt sehen“, erzählt die bekannte Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi. Das Urteil der 91-Jährigen: „Scheußlich.“
Ganz und gar nicht nach dem Geschmack von Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) läuft auch die Diskussion rund um die Häuser am See. Am Dienstag zog er deshalb als Gemeindebundpräsident die Konsequenzen.
Zu groß war der Druck auf den 70-Jährigen geworden, nachdem er wegen fragwürdiger Grundstückdeals unter Beschuss geraten war. Die Neos werfen Riedl vor, mit den Deals rund eine Million Euro verdient zu haben.
Der Ortschef soll im Grünland am Rand von Grafenwörth zwei Grundstücke erworben und später zwei angrenzende Felder als Treuhänder des Bauträgers dazugekauft haben. Neun Liegenschaften für das Projekt wurden schließlich per Gemeinderatsbeschluss in Bauland umgewidmet.
"Schiefe Optik"
Laut Neos ergebe sich eine schiefe Optik dadurch, weil Riedl im Aufsichtsrat der Niederösterreichischen Versicherung (NV) sitzt. Das Unternehmen ist mit 74 Prozent Mehrheitseigentümer des Bauträgers VI-Engineers Bauträger GmbH & Co KG. Jene Firma, die sich über die gute Nachfrage am Sonnenweiher freut.
„Neffentrick“
Die Presse berichtet zudem über eine aufgelassene Schottergrube in Grafenwörth, die nicht von Riedl selbst, sondern von seinem Neffen gekauft worden sein soll. Per Schenkungsvertrag sei das Grundstück schließlich an jene Firma gegangen, die der 70-Jährige gemeinsam mit seinen Töchtern betreibt. Riedl hat bislang alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Aber auch im örtlichen Gemeinderat steigt der Druck auf Riedl. „Seine Position ruhend zu stellen, ist zu wenig. Wenn er in den nächsten 14 Tagen nicht zurücktritt, wird die nächste Story über ihn herauskommen“, sagt Helmut Ferrari von der Bürgerliste BfB.
„Wir haben noch mehrere Themen, die wir noch nicht veröffentlicht haben.“ Und Ferrari poltert: „Das System Riedl ist in Grafenwörth jedenfalls Geschichte, das verspreche ich. Auch seine Tochter ist ja in alles involviert und wird ebenfalls Probleme bekommen.“
SPÖ-Gemeinderat Günter Neubauer zeigt sich da schon weit konzilianter. Er ist mit der Entscheidung, die Funktion im Gemeindebund ruhend zu stellen, vorerst zufrieden: „Jetzt sollte der Fall einmal aufgeklärt werden, dann können wir weiterreden. Ihn vorher zu verurteilen, macht für mich keinen Sinn.“
Und Neubauer betont: „In den letzten zwei Jahren hat uns Riedl über alles informiert, da kann man ihm keine Vorwürfe machen.“
Landespolitik
Von der lokalen Ebene hat die Affäre um den führenden ÖVP-Politiker Riedl natürlich Auswirkungen in die Landes- und Bundespolitik. Seine Entscheidung, das Präsidentenamt ruhend zu stellen, um den Gemeindebund aus der Schusslinie zu nehmen, habe Riedl „für sich entschieden, das ist zu akzeptieren“, sagt VPNÖ-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner.
An den Grundgeschäften in Grafenwörth seien jedenfalls neun Eigentümer beteiligt gewesen und es gebe einstimmige Gemeinderatsbeschlüsse und abgeschlossene Verfahren, betonte Ebner.
Zur Frage, ob ein Bürgermeister in solche Geschäfte involviert sein sollte, meinte er, „das muss jeder für sich selbst entscheiden“. Auch Riedls Nachfolger als Präsident des nö. Gemeindebundes, Johannes Pressl, lobte Riedls Schritt.
Dieser sei zwar überraschend gekommen, aber von den Präsidiumsmitgliedern positiv aufgenommen worden, was auch der einstimmige Beschluss des Gremiums belege, sagte Salzburgs Gemeindebundpräsident Günther Mitterer.
„Bis zur nächsten Präsidiumssitzung hat Riedl jetzt die Möglichkeit, seine persönlichen Angelegenheiten und Probleme zu klären. Dann werden sich die nächsten Schritte ergeben.“
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