Migranten bei der Polizei: Die Operation „Seidenstraße“

Gerald Tatzgern und seine Truppe
Neues Projekt. Personen mit Migrationshintergrund als Polizeiberater, das half bereits bei einigen Verhaftungen

Die österreichische Polizei spricht und versteht neuerdings Urdu, Punjabi, Dari oder Hindi. Andere Sprachen wie Arabisch, Kurdisch, Türkisch oder Rumänisch kann sie schon seit längerem.

Das hat enorme Vorteile. Wenn Kriminelle miteinander in ihrer Landessprache telefonieren, dann muss das nicht hinterher in wochenlanger, mühsamer Kleinarbeit übersetzt werden. Es sitzen Personen wie Susanna H., Suzan N. oder Azhar M. des Projekts „Seidenstraße“ vor den Geräten und hören gleich live mit.

Migranten bei der Polizei: Die Operation „Seidenstraße“

Susanna H.

„Ein ganzes Jahr habe ich dieser Stimme zugehört“, erzählt Azar M. Wie er war der Mann am Telefon ein Pakistani. Dieser soll als einer der großen Organisatoren der Schlepperei nach Österreich gelten. Am vergangenen Freitag kam dann der Anruf von Kollegen, dass sich der Verdächtige auf eine Abreise aus Graz vorbereite. M. setzte sich daraufhin ins Auto, fuhr in die Steiermark und war bei der Verhaftung gleich mit dabei.

Für die Polizisten vor Ort eine enorme Hilfe: Der gebürtige Pakistani M. kannte den Verdächtigen fast in-  und auswendig. Und er sprach mit ihm beim Verhör in seiner Sprache.

Heikle Fragen

Seit zehn Jahren versuche ich, so etwas aufzubauen“, berichtet Brigadier Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung des Menschenhandels im Bundeskriminalamt in Wien. So eine multikulturelle Truppe aufzustellen ist nicht so einfach.  Und es gibt  auch Herausforderungen für alle Seiten. „Es wäre kein Problem,  ein Kopftuch zu tragen, wenn jemand das möchte. Wir können auch einen Raum zum Beten zur Verfügung stellen. Es ist aber im Dienstbetrieb nicht möglich, dass jemand mitten in einer heiklen Überwachung oder Befragung aufsteht und geht, weil er beten muss“, sagt der Brigadier. Auch vor Polizeihunden dürfe sich derjenige nicht fürchten.

Das Wichtigste ist aber Vertrauen auf allen Seiten. Die Truppe ist vorerst als Mediator angestellt, wie es offiziell heißt. „Doch sie sind viel mehr, sie sind Berater für uns“, sagt Tatzgern. Suzan N. war dabei die Erste überhaupt, die ohne österreichische Staatsbürgerschaft bei der Polizei anfangen durfte. Seit vergangener Woche ist die Afghanin aber offiziell Österreicherin.

Migranten bei der Polizei: Die Operation „Seidenstraße“

Azhar M.

Die Geschichte der drei  Mediatoren, die alle zwischen 30 und 35 Jahre alt sind, ist so unterschiedlich wie ihre Herkunft. Susanna H. hat ägyptische Eltern, ist aber bereits in Österreich geboren. Sie hat zwei Studien (Arabistik und Publizistik) abgeschlossen.

Suzan N. kam als Flüchtling aus dem afghanischen Herat nach Österreich und hat sich hochgearbeitet – der Hauptschulabschluss ist  vollbracht, jetzt lernt sie für die Matura. Azhar M. hat in der pakistanischen Provinz Punjab Betriebswirtschaft studiert und in Wien Kultur- und Sozialanthropologie (mit Schwerpunkt Migration) begonnen.

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Suzan N.

Für die Polizei ist die Mitarbeit des Trios von großem Wert, viele Dienststellen fragen immer wieder um Hilfe an. Das Projekt „Seidenstraße“ wird von der EU gefördert, ein weiterer Arbeitsplatz ist noch zu haben. Gesucht wird entweder noch jemand mit afghanischen Wurzeln oder chinesischen beziehungsweise nigerianischen Ursprungs.
Azhar M.: „Es ist jedenfalls toll, dass man hier arbeitet. Aber man wird in seiner Community anders angeschaut.“ Für die Betroffenen ist es auch eine Gratwanderung, denn es können Landsleute eingesperrt werden.

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