Wo die Alm für Langzeitarbeitslose zum Neuanfang wird
11,2 Prozent. So hoch war der Anstieg bei arbeitslosen Menschen in der Gastronomie im Juni diesen Jahres im Vergleich noch zu vor einem Jahr. Eine Zahl.
Der Mensch hinter der Zahl klettert gerade eine gut 40 Prozent steile Wiese auf der Lainacher Kuhalm bei Rangersdorf im Mölltal auf gut 1.400 Metern Seehöhe nach oben. Voll mit Grünzeug, verschwitzt, leicht außer Atem.
"Griaß di, ich bin der Wolfgang", sagt der braun gebrannte Mann und streckt einem die Hand entgegen. Wolfgang war früher Koch. Heute ist er Teil eines einzigartigen Projekts in Österreich, bei dem Langzeitarbeitslose auf Almen den Bauern bei der schweren Arbeit helfen. Und auch sich selbst, um den Weg zurück in eine geregelte Arbeit zu finden.
"Die Idee für das Projekt entstand vor elf Jahren gemeinsam durch Kärntner Almwirtschaftsverein und AMS. Wir wollten Menschen den Weg in die Arbeit erleichtern und Bauern bei der schweren Arbeit auf den Almen helfen", erzählt Josef Brunner, Geschäftsführer besagten Almwirtschaftsvereins.
60 Almen heuer dabei
Das Konzept dahinter funktioniert wie folgt: Jeder der Mitglied des Almwirtschaftsvereins ist, kann sich für die Unterstützung durch die Helfer des AMS auf seiner Alm anmelden. Der Verein teilt die Trupps, die aus je vier Mann inklusive einem Vorarbeiter bestehen und an vier Tagen der Woche arbeiten, dann zu.
60 Almen sind es, die heuer auf die Unterstützung warten. Gut 6.000 Arbeitsstunden kommen in der Saison beim Zäunen, Mähen oder Schwenden - also dem Entfernen unerwünschter Büsche, Sträucher oder junger Bäume - zusammen.
Arbeitsplatz im steilen Gelände
Letzteres beschäftigt auch Wolfgang und seine Truppe gerade. "Die ganze Alm ist mit Farn zugewachsen, der muss weg", erklärt er fachmännisch. Wolfgang ist der Vorarbeiter der Truppe. Bereits zum dritten Mal, wie er voller Stolz erzählt.
Seit acht Uhr rücken die Männer mit Motorsensen dem Grünzeug an den Kragen. 115 Liter Treibstoff seien dafür heute schon draufgegangen.
Zahlen sind es auch, die fallen, wenn Wolfgang von seinem Leben vor der Alm spricht. Von den Saisonen als Koch in der Schweiz. Mit bis zu 1.000 Essen am Tag, die die Küche verließen. Bis zu dem Zeitpunkt als nichts mehr ging. Die Diagnose: Burn out. Die Folge: 2,5 Jahre ohne Arbeit zu Hause.
"Nach einer halben Stunde spazieren, war ich schon völlig fertig", erzählt der 43-Jährige.
Natur gibt Kraft
Hier heroben würde er nun stundenlang arbeiten. "Die Natur, das Panorama, die frische Luft, das gibt mir Kraft", sagt er. Die drei Männer rund um ihn nicken zustimmend.
Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Einer war am Bau, der andere im Gartenbau, der Dritte im Außendienst - nennt man ihm eine Postleitzahl folgt der dazugehörige Name des Ortes wie aus der Pistole geschossen.
Eines könne man allerdings schon schreiben: Dass man sich seit der Arbeit hier, wieder gebraucht fühle. Wertvoll. Geschätzt.
Wertschätzung
Wie zum Beweis holt der jüngste des Quartetts einen Arbeitshelm hervor. Von seinem Vater habe er diesen zum Geburtstag geschenkt bekommen. Mit integriertem Gehörschutz, Brille - alles nur vom Besten. "Den putze ich jeden Tag, damit er auch schön glänzt", sagt der Mann.
Anstrengende Arbeit
Die Frage bleibt: Warum gibt es solch ein Vorzeige-Projekt nicht in ganz Österreich? "Weil wirklich viel Arbeit dahinter steckt. Und nicht jede Truppe so verlässlich ist, wie jene von Wolfgang. Die Arbeit ist körperlich dazu enorm anstrengend, das kann nicht jeder", erklärt Almwirtschaftsverein-Geschäftsführer Brunner.
Kurs für richtigen Umgang
Um eben für diese Herausforderung vorbereitet zu sein, besuchen die Männer (für Frauen gibt es das Projekt nicht, Anm.) im Frühling einen Kurs, wo sie in Punkto Sicherheit ausgebildet und den richtigen Umgang mit Geräten, wie Motorsense- oder Säge, erlernen.
Doch wie geht es nach der Saison, die bis Mitte - Ende Oktober dauert, weiter? Die Antwort von Wolfgang kommt schnell. "Nächstes Jahr möchte ich wieder hier sein. Heroben, auf der Alm."
Arbeitslosigkeit um 9,9 Prozent gestiegen
Die stagnierende Wirtschaft lässt weiter die Arbeitslosenzahlen steigen. Ende Juni waren 338.051
Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos oder in Schulung gemeldet, davonwaren 264.018
arbeitslos und 74.033 in Schulungsmaßnahmen des AMS. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die
Zahl der Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmer um 9,9 Prozent bzw. 30.319 Personen gestiegen.
Die Arbeitslosenrate
erhöhte sich um 0,5 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent. Solange die wirtschaftliche Dynamik nicht stärker werde, sei der Arbeitsmarkt unter Druck, sagte Wirtschaft- und Arbeitsminister Martin
Kocher (ÖVP) erst kürzlich.
Den größten Zuwachs
bei arbeitslosen Personen und Menschen in AMS-Schulung gab es Ende Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat in der Warenerzeugung/Industrie (+16,4 Prozent), am Bau (+16,2
Prozent), im Verkehrs- und Lagerwesen (+12,5 Prozent), im Handel (+12 Prozent) sowie in der Gastronomie und Beherbergung (+11,2 Prozent).
Etwas niedriger, aber immer noch kräftig, fiel der Arbeitslosenanstieg in der Arbeitskräfteüberlassung (+8,1 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (+7,6 Prozent) aus.
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