Von echten und falschen Dienstmännern
Sie waren zuverlässig, diskret und nicht sehr teuer. An fast jeder Ecke stand, saß oder lungerte ein Dienstmann und hielt sich „zu jedermanns Gebrauch bereit“, wie es ihre Konzession vorschrieb. Die echten Dienstmänner wären längst vergessen, würde nicht ein einzigartiges Denkmal für alle Zeiten an sie erinnern: Der Kinofilm „Hallo Dienstmann“ mit Hans Moser und Paul Hörbiger. Er wurde vor 70 Jahren, am 18. Jänner 1952, in Salzburg uraufgeführt.
Das Aufgabengebiet der echten Dienstmänner war tatsächlich fast so vielfältig, wie es das gleichnamige Lied in der Verwechslungskomödie „Hallo Dienstmann“ auf humorvolle Weise beschreibt:
Springen Sie für mich ins Wasser
Ziehen Sie meinen Hut heraus,
Und dann tragen S’ als a Nasser
Ein Klavier noch in mein Haus...
Mit ihren roten Kapperln und den blechernen Nummerntafeln, die sie so stolz trugen wie Generäle ihre Epauletten, waren Wiens Dienstmänner seit Erteilung der kaiserlichen Konzession im Jahre 1859 für die Überreichung von Geschäfts- und geheimen Liebesbriefen ebenso zuständig wie für die Besorgung von Opernkarten oder für sonstige Botengänge.
Vor allem aber waren die rund 300 befugten Wiener Gepäckträger natürlich auf Bahnhöfen anzutreffen, wo sie Berufs- und Urlaubsreisenden, wenn’s sein musste, auch Berge von Koffern bis zum Bahnsteig oder ins Zugabteil schleppten.
In den noblen Bezirken
Die von drei Wiener Instituten organisierten und aus allen Teilen der Monarchie zugewanderten Dienstmänner trieben sich auch am Naschmarkt, vor Hotels und überhaupt in den nobleren Bezirken herum.
Die Idee, einen ungeschickten Dienstmann in den Mittelpunkt einer heiteren Szene zu stellen, hatte Hans Moser vor fast 100 Jahren schon, als er sich 1923 jene Nummer auf den Leib schrieb, die zur Rolle seines Lebens werden sollte. Dabei begann das Ganze mit einem kleinen Theaterskandal. Moser war trotz seiner 43 Jahre ein noch unbekannter Schauspieler, als er im Etablissement „Budapester Orpheum“ auf der Praterstraße zum ersten Mal in der Soloszene als Dienstmann, der dem Gewicht eines Koffers nicht gewachsen ist, auftrat.
Um diese Figur möglichst realitätsnahe darstellen zu können, wollte er mit dem Sketch nicht erst auf der Bühne beginnen, sondern davor schon in voller Montur und Dienstmann-Kappe durch den Zuschauerraum wanken. Lautstark setzte er sich an einen Tisch des Kabaretts und schrie durch den Saal: „Gehn S’, Herr Ober, hallo, können S’ ma ka Bier bringen? I sitz da im Trockenen!“
Das Publikum reagierte verärgert und rief: „Hinaus mit dem b’soffenen Dienstmann!“ Mosers eigentlicher Auftritt fand somit gar nicht statt. Doch tags darauf ließ er seine allzu realistische Szene im Saal weg – und ,Der Dienstmann’ wurde zu seiner größten Erfolgsnummer. Sein „Wia nehm man denn?“, sein „Mit’n Untergriff“ und sein „Auf gebaut kommt’s net an“ wurden zu Markenzeichen des genialen Nuschlers und gingen als Redewendungen in den österreichischen Sprachgebrauch ein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Paul Hörbiger dann die Idee (und er scheint deshalb heute noch auf dem Vorspann als Co-Autor auf), aus dem Sketch einen abendfüllenden Kinofilm entstehen zu lassen. Unter der Regie von Franz Antel spielt Hans Moser in „Hallo Dienstmann“ einen echten und Hörbiger einen falschen Dienstmann, der nach dem Besuch eines Maskenballs seinen ersten Auftrag erhält. Gemeinsam kämpft das kongeniale Duo mit dem Transport einer übermäßig großen Holzkiste (in einer der berühmtesten Szenen der österreichischen Filmgeschichte), um dann zu singen:
Sagen S’ meiner Frau, ich komm erst morgen früh,
Und geh’n Sie heut für mich zur Neunten Symphonie...
Und zuletzt noch:
Was es da so alles gibt, das ist kein Spaß,
Doch das Allerschwerste, das war das:
Hallo Dienstmann, Hallo Dienstmann!
Nehmen Sie hier diese Dahlie,
Hallo Dienstmann, Hallo Dienstmann!
Geh’n Sie damit zur Amalie...
Der letzte Dienstmann
Als der wahrscheinlich populärste österreichische Film gedreht wurde, gab es in Wien gerade noch 17 konzessionierte Dienstmänner, der letzte von ihnen hieß Anton Wuich und brüstete sich damit, Botendienste für Johannes Heesters, Theo Lingen und andere Stars durchzuführen, wann immer sie in Wien waren.
Als Herr Wuich dann Mitte der 1950er-Jahre in Pension ging, war der Berufsstand ausgestorben. Allerdings wurden zur Eröffnung des neuen Wiener Hauptbahnhofs im Jahr 2017 von den ÖBB einige Kofferträger angestellt, die im Prinzip dieselbe Funktion hatten wie die alten Dienstmänner. Doch die Hilfsdienste wurden von den Fahrgästen kaum noch in Anspruch genommen, weil fast alle mit ihren Trollys kamen und auf die Tätigkeit der Gepäckträger verzichteten. So wurde der Service nach einem Jahr wieder eingestellt.
Der blinde Dienstmann
Also bleibt auch die Geschichte, die der Wiener Satiriker Roda Roda dereinst niederschrieb, nur eine Anekdote aus vergangenen Zeiten: Er erzählt darin vom Dienstmann Nr. 404, der seinen Standplatz an der Aspernbrücke hatte. Das Außergewöhnliche an diesem Transporteur war, dass er blind war. Da Roda Roda wissen wollte, wie man mit einer solchen Behinderung Botendienste durchführen könne, verwickelte er ihn in ein Gespräch. Es ginge schon, sagte der brave Mann, er kannte sich ja gut aus in Wien, von früher her, als er noch sehen konnte. „Und wenn’s einmal eine ganz schwierige Adress’ is, so nimm i ma halt an Dienstmann, und der führt mi hin“.
georg.markus
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