Als Spanien noch bei Österreich war
Wenn König Felipe von Spanien und seine Gemahlin Letizia Ende Jänner in der Wiener Hofburg und im Belvedere empfangen werden, dann ist es ein Besuch en famille. Denn das heutige Herrscherhaus der Bourbonen und das ehemalige Herrscherhaus der Österreicher sind doppelt miteinander verwandt: seit dem 18. Jahrhundert durch die erste Frau Kaiser Josefs II. und ein weiteres Mal infolge der Ehe des letzten Habsburger-Kaisers Karl mit Zita von Bourbon-Parma. Freilich hat die Geschichte Österreichs und Spaniens viele weitere Gemeinsamkeiten, deren Anfänge vor mehr als fünf Jahrhunderten zu suchen sind.
Heiratspolitik
Die Habsburger waren in Spanien rund 200 Jahre an der Macht, was sie vor allem ihrer legendären Heiratspolitik zu verdanken hatten. „Philipp der Schöne“, der Sohn des österreichischen Kaisers Maximilian I., ehelichte 1496 die Prinzessin Johanna von Kastilien, wodurch er König von Spanien wurde. Es war dies die erste und gleichzeitig skurrilste Ehe in der spanisch-österreichischen Tradition: Johanna war ihrem (angeblich) schönen Gemahl dermaßen verfallen, dass sie, von krankhafter Eifersucht geplagt, ständig alle weiblichen Wesen aus seiner Umgebung verbannte.
Reisen mit dem Sarg
Als Philipp nach zehnjähriger Ehe starb, verfiel Johanna dem Wahnsinn. Sie führte den Sarg mit den sterblichen Überresten ihres Mannes auf Reisen mit sich und öffnete ihn regelmäßig, um nachzusehen, ob er auch wirklich tot war. Die Unglückliche überlebte Philipp um 48 Jahre und ging als „Johanna die Wahnsinnige“ in die Geschichte ein.
Nach Philipp wurde Spanien von seinem Sohn Karl V. regiert, in dessen Reich die Sonne bekanntlich nie unterging. Er brachte es zuwege, die Habsburger als einflussreichste Dynastie der Welt zu etablieren, die im 16. Jahrhundert neben Österreich und Spanien auch Portugal, Italien, die Niederlande und die überseeischen Besitzungen in Amerika, Afrika und Asien beherrschte.
Die Allmacht wurde aber nicht nur durch Heirat, wie es gerne verharmlosend kolportiert wird, sondern auch durch Kriege und unvorstellbare Brutalität erreicht, mit der die Konquistadoren Cortés und Pizarro Amerika in einen Kontinent des Blutes verwandelten.
Die Bourbonen kommen
Auf Kaiser Karl V. (als König von Spanien: Karl I.) folgten drei seiner Söhne und Enkel, bis schließlich sein Ururenkel Karl II. auf Spaniens Thron saß. Er war als bedauernswertes Produkt blaublütiger Inzucht geistig und körperlich zurückgeblieben und musste als letzter spanischer Habsburger mit vier Jahren den Thron besteigen. Als er 1700 kinderlos starb, kam es zum Streit um die Herrschaft, der zum Spanischen Erbfolgekrieg führte. Aus ihm gingen die Bourbonen siegreich gegen die Habsburger hervor.
Die Feindschaft hinderte die beiden Familien nicht, 1760 die erste Habsburger-Ehe mit dem damaligen (und heutigen) Königshaus zu arrangieren: Österreichs künftiger Kaiser Josef II. heiratete auf Betreiben seiner Mutter Maria Theresia die aus einer Seitenlinie stammende Prinzessin Isabella von Bourbon-Parma, die nach nur dreijähriger Ehe an den Pocken starb. Josef hatte sie dermaßen geliebt, dass er sich weigerte, ein zweites Mal zu heiraten (dazu aber von seiner Mutter gezwungen wurde).
Auch zu Kaiser Josefs Zeiten galt in Österreich immer noch – wenn auch in eingeschränkter Form – das „Spanische Hofzeremoniell“, das nach Karl V. vom Wiener Hof übernommen worden war. Die aus dem Mittelalter stammenden strengen höfischen Regeln sollten das Gottesgnadentum und die Würde des jeweiligen Herrschers dokumentieren. Laut Hofzeremoniell war es sogar der Kaiserin untersagt, gemeinsam mit ihrem Mann zu speisen.
Doch es kam noch schlimmer, denn das Zeremoniell reichte bis in die intimsten Situationen. So war es dem Monarchen nicht erlaubt, seiner Gemahlin einen „spontanen Besuch“ abzustatten. Ein Tête-à-Tête musste lange davor angemeldet werden. War’s dann endlich soweit, wurde der Kaiser von zahlreichen Hofmeistern und Lakaien zu seiner Frau geleitet. Jetzt erst durfte sich das Hohe Paar – so noch ein Rest von Leidenschaft vorhanden – der Liebe hingeben. Der gesamte Hofstaat wartete derweil in einer dem Schlafgemach angrenzenden Kemenate. Dies sollte sicherstellen, dass der König auch wirklich der Vater des künftigen Monarchen ist.
Verbannung aus Spanien
Zu welch grotesken Konsequenzen das Spanische Zeremoniell führen konnte, zeigt auch eine bereits im 15. Jahrhundert angesiedelte Episode: Als Spaniens Königin Isabella I. beim Ausritt vom Pferd glitt, blieb sie mit einem Fuß im Steigbügel hängen und wurde von dem weitertrabenden Tier mitgeschleift. Der Erste Stallmeister, der als Einziger das Recht hatte, den königlichen Fuß zu berühren, war nicht zugegen, weshalb keiner der 43 anwesenden Adligen es wagte, der Königin zu helfen. Endlich befreite ein hoffremder Herr die Monarchin aus ihrer misslichen Lage. Die ritterliche Aktion zerstörte sein Leben: Weil er die Königin unerlaubterweise berührt hatte, wurde der Kavalier mit lebenslanger Verbannung aus Spanien belegt!
Besagte Isabella I. hat allerdings vor allem deshalb Geschichte geschrieben, weil sie Christoph Kolumbus den Auftrag zu jener Reise gab, die zur Entdeckung Amerikas führte. Und ihre „wahnsinnige“ Tochter Johanna war es dann, die Philipp den Schönen aus dem Hause Österreich ehelichte.
13 Bourbonen-Könige
Die zweite Ehe des ursprünglich französischen Bourbonen-Geschlechts mit einem Habsburger wurde 1911 zwischen Kaiser Karl und Prinzessin Zita von Bourbon-Parma geschlossen. Die Bourbonen stellen mit Unterbrechungen seit dem von den Habsburgern verlorenen Spanischen Erbfolgekrieg 13 Könige, zuletzt ab 1975 durch König Juan Carlos und als der infolge seiner Eskapaden zum Rücktritt gezwungen wurde, seit 2004 durch Sohn Felipe.
König Felipe soll – so Omikron es zulässt – am 31. Jänner von Bundespräsident Van der Bellen in der Hofburg empfangen werden und dann im Belvedere die Ausstellung Dali-Freud besuchen, die den Einfluss der Psychoanalyse auf das Werk des spanischen Malers Salvador Dali zeigt.
georg.markus@kurier.at
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