St. Wolfgang: Irrtümlich weltberühmt geworden
Im Weißen Rößl am Wolfgangsee, dort steht das Glück vor der Tür und ruft dir zu: „Guten Morgen, tritt ein und vergiss deine Sorgen“ … Das ist die wohl populärste Liedzeile aus dem Singspiel „Im weißen Rößl“. Aber die Sorgen vergisst zurzeit keiner, der am Wolfgangsee zu Hause oder auf Urlaub ist.
Pilgerstätte
Der alles bestimmende Fremdenverkehr in St. Wolfgang setzte vor gut 500 Jahren ein, als der Ort zu einer der wichtigsten Pilgerstätten Europas wurde, wozu wohl der berühmte Pacheraltar der gotischen Kirche beitrug. Bis zu 100.000 Wallfahrer strömten damals pro Jahr in die kleine Gemeinde am Wolfgangsee. Benannt ist sie nach dem heiligen Wolfgang (924–994), der als Bischof in Regensburg lebte und von dort im Zuge eines Bürgerkriegs ins Salzkammergut flüchtete.
Die nächste große Reisewelle setzte ein, als Kaiser Franz Joseph und seine „Sisi“ am 12. Juli 1893 in St. Gilgen Station machten. Das Ehepaar kam auch später immer wieder von seinem Sommersitz im nahen Bad Ischl an den Wolfgangsee. Bald siedelten sich im Schlepptau des Kaisers Adelige, Großbürger, Industrielle und Künstler an, meist auf Seegrundstücken, in den Gemeinden St. Wolfgang, Strobl und St. Gilgen.
Als erste Schriftstellerin erkannte Marie Ebner von Eschenbach die prächtige Kulisse des Wolfgangsees und verbrachte ihre Urlaube in St. Gilgen. Dort herrschte vor einigen Jahren große Aufregung, weil die typische Salzkammergut-Villa, in der sie zehn Sommer verbracht hatte, zugunsten eines Hotelneubaus abgerissen werden sollte. Die Villa konnte in letzter Minute gerettet werden.
Die Operette
Der Massentourismus setzte ein, als die Operette „Im weißen Rößl“ am 8. November 1930 in Berlin ihre Uraufführung feierte und danach ein Welterfolg wurde. Das Lustspiel mit der Musik von Ralph Benatzky und Robert Stolz wurde von Millionen Menschen gesehen, von denen nun viele ihren Urlaub im „Rößl“ verbringen wollten.
Hoher Besuch kam 1937 aus England: Der wegen seiner Liebe zur Amerikanerin Wallis Simpson zurückgetretene König Edward VIII. verbrachte die ersten Wochen nach seinem Thronverzicht im Landhaus zu Appesbach in St. Wolfgang. Hier wartete er auf die Scheidung seiner Geliebten, ehe er sie heiraten konnte. Nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen im Jahr 1938 wurden mehr als 60 Villen am See „arisiert“ und ihre Besitzer verfolgt.
Seit den 1950er Jahren kamen zahlreiche Künstler als Sommerfrischler an den Wolfgangsee, unter ihnen die Schriftstellerin Hilde Spiel, die hier einen „Literarischen Salon“ gründete, in dem sich die St.-Wolfgang-Prominenz traf, darunter Heimito von Doderer, Thomas Bernhard und Alexander Lernet-Holenia, der wegen seiner Zornesausbrüche gefürchtet war. Die berühmteste Affäre betraf einen Autofahrer, der vor der Garageneinfahrt zum Sommerhaus des Dichters in St. Wolfgang geparkt hatte.
Lernet-Holenia ging auf den Unglücklichen zu und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, wofür er vom Gericht zur Zahlung einer Geldstrafe von 1.000 Schilling verurteilt wurde. „Vom Lernet-Holenia“, munkelte man damals, „liest man im Kleinen Bezirksgericht mehr als auf der Literaturseite.“
Die Verfilmung
Die Blütezeit des Wolfgangsees setzte ein, als das „Weiße Rößl“ 1960 mit Peter Alexander und Waltraut Haas verfilmt wurde. Wieder strömten die Massen nach St. Wolfgang, aber auch internationale Prominenz von Gunter Sachs über den Aga Khan bis zur Prinzessin Ira von Fürstenberg. Und der deutsche Kanzler Helmut Kohl verbrachte 31 Jahre seinen Sommerurlaub in St. Gilgen.
Während 1990 am Wolfgangsee noch 1,3 Millionen Nächtigungen gezählt wurden, ging der Tourismus von da an deutlich zurück. Und dennoch erzählen St. Wolfgang, Strobl und St. Gilgen immer noch eine einzigartige Erfolgsgeschichte.
Und das, obwohl das „Weiße Rößl“ und der Wolfgangsee ihren Welterfolg einer simplen Verwechslung verdanken. Das Lustspiel „Im Weißen Rößl“ wurde (damals noch ohne Musik) 1897 uraufgeführt. Tatsächlich hatte der Berliner Autor Oscar Blumenthal aber nicht die „Rößl“-Wirtin von St. Wolfgang gemeint, sondern die vom gleichnamigen Gasthaus in Lauffen bei Bad Ischl. Da der Wolfgangsee aber auch in Deutschland ein Begriff war, wurde das „Rößl“ kurzerhand nach St. Wolfgang verlegt.
Gut lustig sein
Das Original-„Rößl“ in Lauffen existiert nicht mehr, das irrtümlich berühmt gewordene Hotel am Wolfgangsee zählt heute jedoch zu den erfolgreichsten Fremdenverkehrsbetrieben Österreichs.
„Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“, lautet eine weitere Textzeile aus der Operette. Hoffen wir, dass das auf St. Wolfgang und den Wolfgangsee bald wieder uneingeschränkt zutrifft.
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