Beispiele für Politiker, die die durchschnittliche Lebenserwartung bei Weitem überschritten haben, gibt es zur Genüge. Queen Elizabeth ist mit 96 immer noch aktiv, einer ihrer Premierminister, Winston Churchill, war Regierungschef, bis er mit 81 Jahren von der eigenen Partei aus dem Amt gedrängt wurde (was ziemlich aktuell klingt), dann blieb er noch vier Jahre Mitglied des Unterhauses. Er starb mit 90. Konrad Adenauer verließ das deutsche Kanzleramt auch nicht ganz freiwillig mit 87, um dann noch bis zu seinem Tod mit 91 Jahren Bundestagsabgeordneter zu bleiben.
Sein langes Leben lang aktiv blieb auch Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dem Kettenraucher war es als einzigem Gast in deutschen Talkshows erlaubt, im Studio zu qualmen. Er paffte mindestens 40 Zigaretten am Tag und kehrte seine Nikotinsünden ins Gegenteil um: „Ich habe die Anstrengungen meiner Tätigkeit als Politiker nur dank meines starken Willens und der vielen Zigaretten überstanden.“ Sein Nachfolger Helmut Kohl wurde 87.
Nicht alle der in die Jahre gekommenen Mandatare haben also gesund gelebt: In ihrer Zeit als Spitzenpolitiker litten viele unter Stress, Bluthochdruck, Schlafmangel, weiters Übergewicht (Kohl), „No sports“ (Churchill) oder Nikotinsucht (Schmidt). Solch wundersame Langlebigkeit erklärt Professor Huber mit genetisch unterschiedlichen Dispositionen, die man nicht beeinflussen könne: „Bei dem einen hält der Körper das Kettenrauchen aus, und er bleibt auch im Alter noch relativ gesund, während der andere nach 30 Jahren ein Lungenkarzinom bekommt.“
Über glückhafte Gene dürfte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verfügen, der mit seinen 78 Jahren ein starker Raucher ist.
Aber verlassen sollte man sich auf solche „Wunder“ lieber nicht.
Die Forscher um Philip Clarke vom Health Economics Research Centre der Universität Oxford haben in der erwähnten Studie die Daten von 57.561 Politikern in Industrieländern wie den USA, Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien und Österreich ausgewertet. Aus Österreich flossen Lebens- und Sterbedaten von 2.664 Politikern (bei einem Frauenanteil von 16 Prozent) aus den Jahren 1918 bis 2017 ein.
Die Zahlen haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Während die Sterblichkeitsraten von Politikern und „Normalbürgern“ am Beginn des 20. Jahrhunderts ähnlich hoch waren, hat der Politiker (in Österreich) heute eine um rund vier Jahre höhere Lebenserwartung. Zum Vergleich: Männer werden heute durchschnittlich 79, Frauen 84 Jahre alt. Das hieße für Politiker: 83 und 88 Jahre.
Doch leider kann man sich auf die Statistik nicht verlassen: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer starb 2014 mit 60 Jahren, Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser drei Jahre später mit 53, beide an Krebs.
Und: Nur allzu oft nehmen Politiker keine Rücksicht auf ihre gesundheitlichen Probleme: Bruno Kreisky war in seinen späten Jahren Dialysepatient, hielt seine Krankheit aber lange geheim, weil er sich mit 72 Jahren noch einmal den Wählern stellen wollte. Auch Thomas Klestil nahm seine Termine als Bundespräsident wahr, obwohl er im Herbst 1996 eine Lungenembolie erlitten hatte, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Er starb – zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit – am 6. Juli 2004 im Alter von 71 Jahren.
Bei Außenminister Alois Mock war die Parkinsonkrankheit längst erkennbar, als er im März 1994 in Brüssel Österreichs EU-Beitrittsverhandlungen abschloss – dennoch blieb er noch ein Jahr Minister und vier weitere Jahre Nationalratsabgeordneter. Das Leiden wurde von seiner Umgebung als Überarbeitung bezeichnet.
Genetischer Vorzüge darf sich hingegen US-Politstar Henry Kissinger erfreuen. Seine Mutter Paula wurde 97, sein Vater Louis 95 Jahre alt. Er selbst hat kürzlich mit 99 nicht nur ein 600 Seiten starkes Buch über „Staatskunst“ geschrieben, sondern auch beim Weltwirtschaftsforum Davos in einem Video-Vortrag für gehörigen Wirbel gesorgt. Als er sagte, Europa solle seine Stabilität „nicht wegen ein paar Quadratkilometern in der Ukraine aufs Spiel setzen“.
Diese Aussage, analysierten Kommentatoren, hätte nichts mit seinem Alter zu tun. Henry Kissingers Vorstellungen der Weltordnung wären schon in seiner Zeit als Außenminister der USA eiskalt kalkuliert gewesen.
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